Die Katastrophe im Heysel-Stadion
Eine graue Steinplatte an einer roten Backsteinwand, die weisse Farbe der eingravierten 39 Namen zum Teil abgeblättert. Um die Ecke, auf dem Weg ins Innere des Stadions, eine weitere Steinplatte mit der Inschrift "In Memoriam 29.05.85". An dieser Stelle werden am Auffahrts-Donnerstag Blumenkränze niedergelegt werden für die 39 Todesopfer einer der schlimmsten Stadion-Katastrophen, die Europa je erlebt hat und die bis heute nachwirkt.
Vor 40 Jahren fand im Heysel-Stadion in Brüssel das Finalspiel der Landesmeister zwischen dem FC Liverpool und Juventus Turin statt. Noch bevor der jurassische Schiedsrichter André Daina die Partie anpfiff, stürmten Männer aus dem Block der Liverpool-Fans den Nachbarblock, in dem sich hauptsächlich Juventus-Fans befanden. Durch das Zurückweichen der Menge wurden zahlreiche Menschen gegen eine Stadionmauer gequetscht
Unter dem Druck gab die Mauer schliesslich nach und begrub Zuschauer unter sich. Bei der anschliessenden Massenpanik wurden weitere Menschen zu Tode getrampelt und Hunderte verletzt. Die meisten der Opfer waren Juventus-Fans.
Die Liverpooler Anhänger wurden für die Katastrophe im Heysel-Stadion verantwortlich gemacht. Doch schnell wurden auch Missstände deutlich. Das 1930 eröffnete Stadion war baufällig und entsprach nicht den Anforderungen für ein solches Spiel. Zudem waren die Sicherheitsvorkehrungen nicht ausreichend. Die beiden Fanlager waren lediglich durch eine Art Maschendrahtzaun getrennt, die Sicherheitskräfte völlig überfordert.
Wie der Brand im Stadion in Bradford nur zwei Wochen vorher und die Katastrophe von Hillsborough im Jahr 1989, bei der 97 Liverpool-Fans ums Leben kamen, trug das Unglück im Heysel-Stadion zu einem Umdenken bei der Austragung von Fussballspielen bei. Die Sicherheitsbestimmungen in den Stadien wurden zum Teil massiv verschärft, Stehplätze wurden bei Spielen der UEFA und FIFA verboten.
Zudem wurden Reglemente für Abtrennungen zwischen den Fanblocks entwickelt. Heute bieten neue Ticket-Systeme mehr Kontrolle über den Zugang und die Verteilung der Fans in den Stadien.
Andere Veränderungen betrafen die Fans selbst. Die englische Hooligan-Szene war damals in ganz Europa berüchtigt, Gewalt in und um Fussballstadien auf einem Höchststand, auch in anderen Ländern Europas. Als Reaktion auf die Heysel-Katastrophe wurde härter gegen gewalttätige Fans vorgegangen.
Zu den Sicherheitsmassnahmen gehören unter anderem Stadionverbote. Gleichzeitig entstanden Fanprojekte, die eine positive Fankultur fördern und Gewaltphänomenen entgegenwirken sollen.
Mithilfe dieser Massnahmen, von denen einige durchaus auf Kritik bei den Fans stiessen, entwickelten sich die Stadien mit der Zeit zu weitgehend sicheren Orten für die ganze Familie. Seit einigen Jahren wird allerdings wieder über zunehmende Gewalt im Fussball diskutiert.
In Liverpool wird anlässlich des 40. Jahrestags der Heysel-Katastrophe eine neue Gedenktafel am Anfield-Stadion enthüllt, am Stadion in Turin soll ebenfalls eine neue Gedenkstätte eröffnet werden.
Das Heysel-Stadion wurde nach der Tragödie umgebaut und in Stade Roi Baudouin umbenannt. 1996 wurde dort der Final des Europacups der Cupsieger ausgetragen. Auch bei der Fussball-EM 2000 war das Stadion Austragungsort.