Entwicklungshelfer Hülkenberg belohnt sich endlich
Nico Hülkenberg ist der Mann der Stunde in der Formel 1. Mit seiner Podest-Premiere beendet er in Silverstone eine unrühmliche Rekordserie - und versetzt damit das Sauber-Team in grenzenlose Freude.
Da soll noch einer sagen, Geduld zahle sich nicht aus. Fast 38 Jahre alt musste Nico Hülkenberg werden, ehe er am Sonntag beim Doppelsieg von McLaren erstmals in seiner Formel-1-Karriere das Podium betrat - gemeinsam mit Lando Norris und WM-Leader Oscar Piastri. Er tat es mit sichtbarer Genugtuung und im Wissen, nie aufgegeben zu haben.
Als Nico Hülkenberg 2010 im Williams sein Debüt in der Formel 1 gab, konnte niemand ahnen, ob er das grosse Potenzial, das er in den Nachwuchsserien eindrucksvoll bewiesen hatte, auch in der Königsklasse des Motorsports entfalten würde.
Schon in seiner Rookie-Saison gelang ihm mit der Pole-Position in Brasilien eine bemerkenswerte Leistung. Doch zum Podestfahrer wurde der Mann aus dem nordrhein-westfälischen Emmerich nicht. Stattdessen übernahm er oft Aufbauarbeit - und zog weiter, kaum dass die ersten Fortschritte sichtbar wurden. Acht Teamwechsel stehen heute in Hülkenbergs Vita.
238 Grands Prix, so lange hatte kein anderer Fahrer in der Geschichte der Formel 1 vergeblich auf den Sprung aufs Podest gewartet. Am Sonntag fand diese wenig ruhmreiche Rekordserie endlich ihr Ende: Mit dem 3. Platz beim Grossen Preis von Grossbritannien erfüllte sich für Hülkenberg ein Traum, auf den er über ein Jahrzehnt hingearbeitet hatte - endlich, möchte man sagen.
Es gibt wohl niemand im Fahrerlager, der ihm diesen Erfolg nicht gönnt. "Das war das am meisten überfällige Podium in der Historie der Formel 1. Das war eine Meisterleistung von Nico", sagte Saubers Teamchef Jonathan Wheatley bei Sky.
Angesichts seiner Vorgeschichte ist Hülkenbergs Leistung als kleine Sensation zu werten. Noch am Samstag war er im Qualifying chancenlos gewesen; Startplatz 19 liess kaum Hoffnung auf ein zählbares Ergebnis. Doch am Sonntag lief für ihn auf einem typisch britischen Sommertag mit Regen und ständig wechselnden Bedingungen alles zusammen.
Hülkenberg fuhr das Rennen seines Lebens. Im Chaos mit mehreren Ausfällen und Safety-Car-Phasen behielt er die Nerven, blieb fehlerfrei und profitierte von der perfekten Strategie seines Teams Sauber, das bei der Reifenwahl in jeder Phase des Rennens die richtige Entscheidung traf.
Den bedauerlichen Rekord der meisten Grand-Prix-Starts ohne Podestplatz ist Nico Hülkenberg zwar weiterhin nicht los, doch das dürfte ihm herzlich egal sein. Vielmehr kann er sich darüber freuen, im Spätherbst seiner Karriere für seinen unermüdlichen Durchhaltewillen endlich belohnt worden zu sein.
In seiner Rolle als "Entwicklungshelfer" hat Hülkenberg bei seinem zweiten Engagement bei Sauber (nach der Saison 2013) in den vergangenen Monaten spürbar Aufbruchstimmung ausgelöst. Nach einer langen Phase der Enttäuschungen erlebt der Zürcher Rennstall, der ab nächster Saison als Audi-Werksteam antritt, ungewohnte Momente der Unbeschwertheit und Glückseligkeit.
Schon beim verregneten Saisonauftakt in Australien hatte Nico Hülkenberg als Siebenter geglänzt, nun fuhr er bereits zum vierten Mal in Folge in die Punkteränge. Mit den eben gewonnenen 15 WM-Punkten macht die Hinwiler Equipe in der Konstrukteurswertung einen Sprung von Platz 9 auf 6.
Wie überraschend Hülkenbergs 3. Platz kam - der erste Podestplatz eines Sauber-Fahrers seit Kamui Kobayashis 3. Rang 2012 in Japan -, zeigt eine charmante Episode nach Rennende: Für die teaminterne Feier musste der Champagner bei der leer ausgegangenen Konkurrenz organisiert werden.