Erling Haalands Norwegen ist erwacht
Norwegen ist der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2026 ganz nahe. Die Skandinavier sind die Überraschung der laufenden Kampagne, auch wenn ihr Erfolg nicht unerwartet kommt.
Am Samstag wollen die Norweger daheim gegen Israel den nächsten Schritt Richtung Weltmeisterschaft 2026 machen. Sie sind neben England das einzige Nationalteam aus einer Fünfergruppe, das noch ohne Punktverlust dasteht. Und derzeit deutet nichts darauf hin, dass sie das Tempo nicht halten können. Der 11:1-Sieg gegen Moldawien vor einem Monat lädt ganz speziell zum Träumen ein.
Es war ein Match für die Geschichtsbücher. Der höchste Sieg eines Teams in der WM-Qualifikation wurde nur um zwei Tore verpasst. Erling Haaland brillierte mit fünf Treffern, verpasste die Bestmarke für ein Qualifikationsspiel nur um ein Tor und erhöhte seine unglaublich Ausbeute im Nationalteam auf 48 Goals (in 45 Partien). Es war eine norwegische Demonstration mit Aussicht auf grössere Erfolge.
Während der letzten Europameisterschaft hatte Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness gegenüber der BBC bedauert, dass ihr Team es nicht an das Turnier geschafft habe, obwohl "wir eine Mannschaft haben, die gut genug für die Teilnahme gewesen wäre". Aber auf den Winter wird der Frühling folgen, war sich die frühere Nationalspielerin sicher. "Wir hatten Jahre, in denen wir uns hätten qualifizieren können, aber wir wussten, wir würden keinen guten Fussball spielen. Das ist jetzt anders."
Die letzten Endrunden-Teilnahmen liegen eine kleine Ewigkeit zurück. Zwischen 1994 und 2000 nahmen die Norweger an drei grossen Turnieren teil. Seither blieben sie immer in der Qualifikation hängen. Nie stimmte die Mischung, meistens war man defensiv einigermassen stabil, aber offensiv zu harmlos und manchmal - wie in der letzten EM-Qualifikation - war man künstlerisch gut gerüstet, aber zu wenig resistent.
Nationalcoach Stale Solbakken forderte von seinen Spielern zum Start der laufenden WM-Kampagne den Willen, sich aufzuopfern. "Ein norwegisches Nationalteam wird immer ab und zu an die Wand gedrückt werden. Wir können das Leiden in diesen Perioden genauso gut geniessen", wird Solbakken von "The Athletic" zitiert. Der kämpferische Aspekt, der früher für ein oftmals spielerische beschränktes norwegisches Nationalteam selbstverständlich war, ist es heute mit vielen technisch hervorragenden Akteuren nicht mehr.
Für Norwegens Fussball hat eine neue Ära begonnen, in der sich die Spieler zunächst zurechtfinden mussten. Mit Erling Haaland und dem derzeit verletzten Martin Ödegaard an vorderster Front sind die Erwartungen an die Mannschaft massiv gestiegen. "Wir mussten vieles verändern, etwa in Bezug auf Sicherheit und Logistik", erzählt Klaveness. "Wir hatten schon immer populäre Nationalteams, aber das ist ein neues Level. Wir erwarten mehr. Die Fans erwarten mehr."
Die Fans bekommen mehr seit diesem Jahr. Das 11:1 gegen Moldawien war der achte Sieg in Folge, wobei in dieser Serie der 3:0-Heimsieg gegen Italien hervorsticht. Mit drei Verlustpunkten und 16 Toren Vorsprung auf den härtesten Widersacher in der WM-Qualifikation ist die ersten Endrunde seit 26 Jahren zum Greifen nah.
Im Normalfall reicht es dank dem hervorragenden Torverhältnis, im Fall einer Punktgleichheit ist es entscheidend, wenn die Norweger in den zwei Heimspielen gegen Israel und Estland (am 13. November) die Pflicht erfüllen, um ohne grösseren Druck zum Abschluss der WM-Qualifikation am 16. November nach Mailand zum Duell gegen Italien zu reisen. Es kündigen sich Frühlingsgefühle im November und eine Riesenparty auf den Strassen von Oslo an, die Haaland im Fall einer erfolgreichen Qualifikation versprochen hat.