Sky Experte Didi Hamann blickt nach dem fünften Champions-League-Spieltag und vor dem Klassiker auf die Leistungen des FC Bayern und von Borussia Dortmund in der Königsklasse zurück. Ausserdem nimmt er Liverpool und ManCity vor dem direkten Aufeinandertreffen in der Premier League genauer unter die Lupe und kommentiert die Situation um Pep Guardiola.
Top 1: Die Bayern werden unter die ersten Acht kommen
Die Bayern sind nach dem Sieg gegen Paris Saint-Germain wieder auf Achtelfinal-Kurs! Sie haben sehr professionell gespielt, ohne dabei gross zu glänzen. Man darf nicht vergessen, dass PSG sehr gute Einzelspieler hat. Auch wenn die Pariser aktuell in der Königsklasse gar nicht gut dastehen, muss man das erst einmal so souverän über die Bühne bringen.
Die Bayern haben wie schon in den letzten Wochen gut verteidigt und dann nach einer Standardsituation das Tor gemacht. Mit einem Mann mehr haben die Münchner das Spiel komfortabel nach Hause gebracht. Es ist beeindruckend, wie stabil sie bei Standardsituationen gegen sich sind. Du hast nie das Gefühl, dass etwas passiert, wenn es eine Ecke für den Gegner gibt.
Auf Schalke gegen Donezk, bei Feyenoord und abschliessend gegen Slovan Bratislava: Die Spiele in der Königsklasse werden für Vincent Kompany und Co. jetzt nicht schwerer. Sie haben neun Punkte, wahrscheinlich reichen am Ende mit ihrem Torverhältnis sieben. Ich glaube, dass sie unter die ersten acht Teams kommen werden. Das war schon eine gute Leistung nach den beiden verlorenen Spielen bei Aston Villa und in Barcelona.
Auch Leon Goretzka macht das sehr ordentlich. Es ist ja für einen Spieler keine einfache Situation, wenn er weiss, dass er verkauft werden soll. Diese Rolle hat er super hingenommen. Genau das erwartet man ja eigentlich von einem Profi, allerdings ist das in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich. Er hat einen Vertrag unterschrieben und wenn der Trainer sagt: 'Du spielst jetzt nicht mehr', dann hat er das so hinzunehmen. Wenn er spielt, ist immer auf ihn Verlass. Das wird er auch im Klassiker beim BVB unter Beweis stellen wollen.
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Top 2: Dortmund hat eine Riesen-Chance, die Diskussionen der letzten Monate vergessen zu machen
Borussia Dortmund hat gegen Freiburg und in Zagreb aggressiver als sonst gespielt. Sie gaben ihren Gegnern zuletzt keinen Platz, keine Zeit und keinen Raum und konnten so immer wieder schnell die Bälle zurückgewinnen. Die Überlegenheit haben die Dortmunder dann in Chancen umgemünzt und die Tore gemacht. Und endlich konnte der BVB mal wieder auswärts gewinnen.
Auch Felix Nmecha macht das wunderbar. Er ist mit seiner Dynamik und seinem fussballerischen Vermögen ein unheimlich interessanter Spieler. Im letzten Jahr war er die meiste Zeit verletzt. Deshalb ist Nmecha fast wie ein Neuzugang zu bewerten. Darüber hinaus haben sie mit Marcel Sabitzer und Julian Brandt gute Spieler in den Halbräumen. Sollte Brandt nach seiner Verletzung nicht spielen können, würde ich mit Maximilian Beier hinter Serhou Guirassy spielen. Das wäre auch ein Zeichen, dass sie den Klassiker gegen den FC Bayern nicht bestreiten wollen, um sich zu ergeben, sondern selbst mutig agieren wollen, um das Duell zu gewinnen.
Die jüngsten Zu-Null-Siege werden dem BVB Selbstvertrauen geben. Vor einer Woche hätte ich gesagt, dass die Sahin-Elf keine Chance gegen die Bayern hat. Nach diesen beiden Erfolgen sage ich: Möglich! Ich glaube, dass diese beiden Spiele mit den Dortmundern einiges im positiven Sinn gemacht haben. Dazu kommt die Heimstärke.
Klar ist: Dortmund hat am Samstag eine Riesen-Chance, die Diskussionen der letzten Monate mehr oder weniger vergessen zu machen. Das Stadion wird brodeln. Ganz Dortmund sehnt sich danach, die Bayern mal wieder zu Hause zu bezwingen. Die Münchner sind zwar schwer zu knacken, aber ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass sie die Bayern am Wochenende schlagen.
Dortmund muss die Bälle halten und die Münchner ins Laufen bringen. Sie brauchen das Tempo, um die starke Bayern-Defensive unter Druck setzen zu können. Die Bayern können Mannschaften mit ihrem Ballbesitz und ihrer Dominanz zermürben. Wenn sie die Münchner aber ins Laufen bringen, haben sie eine Chance. Ich tippe nach den jüngsten Entwicklungen auf ein 2:2!
Top 3: Deswegen ist Liverpool aktuell in Europa das Non-Plus-Ultra
Ähnlich wie es die Bayern machen, haben auch die Liverpooler ihren Gegner - Champions-League-Sieger Real Madrid - mit ihrer körperlichen Präsenz, mit ihrer Zweikampfstärke und ihrem Tempo erdrückt. Die Reds sind unter Arne Slot eine sehr gut geölte Maschine: Sie geben hinten kaum etwas weg, sind unheimlich professionell und machen nahezu keine Fehler. Deswegen ist Liverpool aktuell in Europa das Non-Plus-Ultra. Sie haben nach wie vor offensiv tolle Spieler und können auch von der Bank immer zwei bis drei klasse Spieler bringen.
Deswegen glaube ich, dass sich City im Premier League Match of the Week die Zähne ausbeissen wird. Sollte Liverpool gewinnen, würde der Vorsprung auf die Skyblues bereits elf Punkte betragen. Das muss natürlich erst einmal aufgeholt werden, auch wenn die Saison noch lang ist. Für mich ist Rodris Fehlen der Hauptgrund für die City-Misere. Er gibt der Guardiola-Elf die Balance. Steht ein Team hinten stabil, wird vorne der Druck genommen - das sieht man ja aktuell auch bei Bayern.
Die Cityzens wissen zwar, dass sie Tore erzielen können - allerdings wissen sie auch, dass sie defensiv unheimlich anfällig sind. Wenn gefühlt jeder Angriff des Gegners in einer Torchance resultiert, leidet automatisch die Offensive darunter. Ich glaube, das ist im Moment das grösste Problem bei City. Der wochenlange Ausfall von Abwehrchef Ruben Dias kam da natürlich noch einmal erschwerend dazu.
Die Frustration war zuletzt auch Pep Guardiola trotz seiner Vertragsverlängerung anzusehen. Als ich das viral gegangene Bild mit den Kratzern zum ersten Mal sah, dachte ich zunächst, dass es ein Fake ist. Am Ende war ich dann doch sehr überrascht. Nach fünf Niederlagen in Folge und der gefühlten Pleite bei Feyenoord scheint City, das erste Mal seit acht oder neun Jahren mal wieder das Überlegen anzufangen. Das Selbstvertrauen ist nicht da, sie zweifeln und da machst du Fehler. Ich glaube nicht, dass Guardiola ins Wackeln gerät: Er hat die Premier League in den letzten Jahren dominiert und die Champions League gewonnen.
Wenn sie jetzt in Liverpool verlieren sollten und sich das bis Weihnachten fortsetzt, könnte vielleicht irgendwann der Punkt erreicht sein, wo er sagt: 'Vielleicht ist ein anderer jetzt nötig, um einen neuen Impuls zu bekommen, vielleicht kann ein anderer das bessermachen'. Ich glaube aber nicht, dass es zu einer baldigen Trennung kommt. Wenn es passiert, dann wird der Schritt von ihm kommen.