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Gregor Deschwanden reist mit offenen Fragen zur Vierschanzentournee

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Der Blick ist wach, die Resultate sind es nicht. Gregor Deschwanden reist mit einer klaren Analyse seines Zwischentiefs, aber auch als Suchender nach perfektem Körpergefühl an die Vierschanzentournee.

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Auf der Suche nach der idealen Anlauf-Position: Gregor Deschwanden © KEYSTONE/EPA/PHILIPP SCHMIDLI

Vor einem Jahr flog Gregor Deschwanden dem Jahreswechsel entgegen wie ein Springer im Aufwind. In den zehn Wettkämpfen vor Oberstdorf war ein 11. Rang das schlechteste Resultate gewesen, dreimal winkte er vom Podest und reiste als Co-Favorit ins Allgäu. Die Gross-Titlis-Schanze wurde zur Bestätigung, die Vierschanzentournee, so hoffte manch einer, könnte zur Bühne eines historischen Moments werden. Noch nie hat ein Schweizer die Gesamtwertung dieses Klassikers über die Neujahrstage gewonnen.

Vor der 74. Auflage ist die Perspektive eine andere. Engelberg, sonst ein Ort der Zuversicht, wurde am vergangenen Wochenende zum Spiegel der aktuellen Probleme. Zweimal verpasste Deschwanden den Finaldurchgang. Am Samstag fehlten Nuancen, am Sonntag kam der Sprung nie richtig ins Gleiten. Statt Aufbruch herrschte Ernüchterung. Wo vor einem Jahr die Schanze trug, wirkte sie nun sperrig.

Dabei ist der Unterschied nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Die Weiten sind nicht dramatisch kürzer, die Grundlagen nicht verschwunden. Doch der Wettkampf kennt keinen Konjunktiv. "Letztes Jahr kurz vor der Saison hatte ich mein Päckchen plötzlich doch noch zusammengehabt. Dann konnte ich jeden Sprung wie aus einem Guss abrufen", blickt Deschwanden im Gespräch mit Keystone-SDA zurück. "Dieses Jahr ist es gerade umgekehrt. Ich hatte das Gefühl, das Päckchen besser zusammenzuhaben, brachte es aber nicht in den Wettkampf."

Diese Diskrepanz wurde nicht erst in Engelberg sichtbar. Zweimal ein 10. Rang in der Anfangsphase der Saison bildete nicht wie erhofft die Grundlage, um wieder auf den Podestplätzen zu landen. Im Gegenteil: Es waren die Ausreisser nach oben. "Die Kaltschnäuzigkeit vom letzten Jahr fehlt, als ich die guten Sachen jeweils im richtigen Moment abgerufen habe", sagt der 34-Jährige.

Besonders der Anlauf ist zur Baustelle geworden."Ich habe das Gefühl, die Anlaufposition sei perfekt. Aber im Video sehe ich, dass sie es eben doch nicht ist. Sie ist zu passiv", erklärt der Luzerner. Das innere Empfinden und die objektive Analyse klaffen auseinander. Dies zwingt dem Routinier eine gefährliche Kombination auf. "Ich muss mich im Anlauf in eine Position setzen, die für mich nicht ganz stimmt. Das innere Gefühl ist falsch. Und unter Wettkampfdruck ist es schwer, dieses Gefühl zu verlassen.“ In Engelberg zeigte sich genau das: Was in der Theorie funktioniert, zerbricht im Moment der Wahrheit.

Erschwerend kommt das neue Materialreglement hinzu. Die Anzüge sind enger, die Tragfläche kleiner. Die neuen Anzüge würden weniger Fehler verzeihen und so eine grössere Schere öffnen, betont Deschwanden. Wer den perfekten Sprung trifft, der wird belohnt, wer minimal danebenliegt, verliert unverhältnismässig viel. Eine heikle Gratwanderung. "Ich bin momentan auf der falschen Seite der Klinge", fasst Deschwanden zusammen.

Dabei fehlt es nicht an Wissen. "Ich kenne das Problem, aber die Umsetzung kommt zu wenig rüber." Der Satz wirkt nüchtern, fast lapidar, beschreibt aber den Kern der Situation. Skispringen ist eine Sportart, die in besonderem Mass vom Gefühl lebt. Deschwanden ist kein Suchender ohne Kompass, sondern ein Könner, der den richtigen Pfad kennt, ihn aber derzeit nicht sauber trifft.

Zwischen Absprung und Landung liegen nur wenige Sekunden, doch in dieser kurzen Zeit entscheidet eine fein abgestimmte Mischung aus Körperwahrnehmung, Technik und mentaler Ruhe über Erfolg oder Misserfolg. Selbst die Top-Springer machen immer wieder Hochs und Tiefs durch. Und oft braucht es nur wenig, und das Erfolgspuzzle fügt sich wieder zusammen, das Selbstvertrauen ist wieder da. Aber das Selbstvertrauen entsteht primär im Wettkampf. Genau dort, wo es zuletzt hakte.

Deshalb reist Deschwanden zur Vierschanzentournee nicht mehr als Mitfavorit, sondern als Routinier mit offenem Visier. Vor einem Jahr trug ihn der Flow, jetzt fordert ihn die Realität. Vielleicht liegt darin auch eine Chance. Denn manchmal reicht ein einziger Sprung, um die Seite der Klinge zu wechseln, um aus dem richtigen Körpergefühl wieder Tragfläche zu machen.

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