HC Lugano: Der nächste Coach, bitte…
Seit 2006 wartet der HC Lugano auf den achten Meistertitel in der Klubgeschichte und rennt einem Erfolg nach. Vorderhand wird diese Trockenperiode aber trotz einer neuen sportlichen Führung nicht enden.
Am 9. September beginnt die neue National League-Saison, und die Tessiner bekommen es dann auswärts mit Gottéron zu tun. Es ist eine schwierige Aufgabe für Lugano, das nach Jahren der Inkonstanz und dem Experiment mit dem jungen, unerfahrenen und damit verbunden auch günstigen Trainer Luca Gianinazzi mit dem Schweden Tomas Mitell auf eine grosse Lösung setzt, um den Niederungen der Liga zu enteilen und wieder dem Gipfel entgegenzustürmen.
Wer auch immer seit 2006 in Lugano an der Bande stand – zum Erfolg reichte es nie. Zweimal erreichte Lugano noch den Final, 2016 mit Doug Shedden gegen den SCB und 2018 mit Greg Ireland gegen die ZSC Lions. 16 verschiedene Übungsleiter versuchten in diesen 19 Saisons über kürzere oder längere Dauer ihr Glück, um am Ende doch zu scheitern. Mit Tomas Mitell ist nun der nächste Headocach an der Reihe – und es besteht durchaus Hoffnung zur Besserung, wie ein Blick in sein Curriculum Vitae zeigt.
Nach einer Spielerkarriere ohne grosse Höhepunkte lancierte der heute 44-Jährige in der Heimat seine Trainerlaufbahn, ehe er zweieinhalb Jahre als Assistenztrainer bei den Chicago Blackhawks – gemeinsam mit Ex-ZSC-Meistertrainer Marc Crawford übrigens – in der NHL Erfahrungen sammelte. Im Februar 2022 übernahm er schliesslich als Cheftrainer bei Färjestad und führte das Team auf direktem Weg zum schwedischen Meistertitel. In der Schweiz ist der Schwede auch bekannt, weil er in der letzten Saison Färjestad in den Final der Champions Hockey League führte, dort aber an den ZSC Lions scheiterte.
Fordernd und temperamentvoll
Mitell, der schwedische Trainer des Jahres 2023, gilt als fordernder Coach, temperamentvoll, dem auch Disziplin und Seriosität wichtig sind. Bemerkenswert ist, dass gemeinsam mit ihm Stefan Hedlund, langjähriger Cheftrainer bei den Rapperswil-Jona Lakers, als so genannter Associate Coach tätig ist. Das Duo vereint und garantiert Kompetenz und soll dafür sorgen, dass Genügsamkeit und Bequemlichkeit (Stichwort: «Eishockey unter Palmen») aus der Cornèr Arena vertrieben werden und stattdessen der Erfolg zurückkehrt.
Finnischer NHL-Erstrundendraft
An der Transferfront hat der neue, von den Lakers gekommene GM Janik Steinmann, einige Ausrufezeichen gesetzt, angefangen bei den Stürmern Dario Simion und Alessio Bertaggia, die aus Zug respektive Genf zurückgekehrt sind und die offensive Feuerkraft zweifellos verstärken werden. Mit dem Finnen Rasmus Kupari wurde ein Erstrundendraft (Los Angeles Kings, 2018, Nr. 20) verpflichtet, der im Sturm für Spektakel sorgen wird, wobei aber zu bedenken ist, dass er in der NHL keine grossen Stricke zerriss und sich weder bei Kings, noch bei den Winnipeg Jets final durchsetzen konnte. Gespannt sein darf man auch, wozu die Kanadier Mike Sgarbossa (zuletzt in der AHL) und Brendan Perlini (von Lausanne) fähig sind. Für Hoffnung sorgt der Gedanke, dass Captain Calvin Thürkauf nach seiner Verletzung irgendwann wieder an die brillanten Leistungen der Saison 2023/24 anknüpfen sollte.
Sorgen in der Defensive
Während Lugano in der Offensive durchaus über Potenzial verfügt, bestehen in der Defensive grössere Fragezeichen. In der vergangenen Regular Season kassierten die Tessiner satte 160 Gegentore – einzig Schlusslicht Ajoie war noch löchriger (188). Und auch auf der Torhüterposition sind Zweifel durchaus angebracht. Letzte Saison kamen in der Qualifikation mit Niklas Schlegel, Joren van Pottelberghe, Dominic Nyffeler und dem Slowaken Adam Huska gleich vier Goalies zum Einsatz – und keiner von ihnen erreichte eine Save Percentage von 90 oder mehr Prozent. Damit fehlte schlicht die Basis, um sich in der Tabelle nach vorne orientieren zu können, zumal Lugano auch in den Special Teams riesige Schwächen offenbarte und im Powerplay und im Boxplay im Ligavergleich weit hinten stand.
Prognose
Von einem Tag auf den anderen wird auch beim HC Lugano nicht alles besser. Es braucht eine gewisse Zeit, um die für den sportlichen Erfolg nötige Leistungskultur aufzubauen und zu implementieren. Und es braucht die Spieler, die gewillt sind, die Komfortzone zu verlassen, was gerade in der für ihre hohe Lebensqualität bekannten Sonnenstube Tessin nicht immer einfach ist. Aber auch das Klima rund um den Klub, das die Spieler in den letzten Jahren offensichtlich gehemmt hat, ändert nicht über Nacht.
Nach der schwachen letzten Saison mit Rang 13, der schlechtesten Rangierung in der Klubgeschichte überhaupt, sind nun alle gefordert – von der Klubführung über die Coaches bis zu den Spielern. Anspruch und Wirklichkeit liegen schlicht zu weit auseinander. Es wäre wichtig, in der Meisterschaft schnell auf Touren zu kommen und für ein gutes Gefühl zu sorgen, doch mit Gottéron, dem EV Zug und Titelverteidiger ZSC Lions warten zu Saisonbeginn drei Schwergewichte der Liga auf den HCL, was die Gefahr eines Fehlstarts und dem erneuten Fall in eine Negativspirale bedrohlich erhöht.
Immerhin plagen die Tessiner dank der traditionell grosszügigen Familie Mantegazza keine finanziellen Sorgen, so dass bei Bedarf personell nachgebessert und aufgerüstet werden kann. Und das könnte schon relativ schnell insbesondere auf der Torhüter-Position nötig sein.
Eine so schlechte Saison wie 2024/25 wird der HC Lugano mit dem Trainerduo Mitell/Hedlund aber nicht erleben. Ein Platz in den Top Ten und damit zumindest im Play-In ist nicht nur realistisch, sondern eine Pflicht.