Heim-WM bereits im Hinterkopf
Die Schweizer Nationalmannschaft gehört ab Freitag in Dänemark nach Silber vor einem Jahr erneut zu den Medaillenwärtern. Die Mischung aus Jung und Alt könnte stimmen.
Mit guten Resultaten begeistern und möglichst Edelmetall nach Hause bringen, gleichzeitig aber auch das Team verjüngen. Für die WM in Dänemark und Schweden haben sich Nationalcoach Patrick Fischer und sein Vorgesetzter, Nationalmannschaftsdirektor Lars Weibel, eine delikate Aufgabe gestellt. Vor dem "Monsterjahr" 2026 mit den Olympischen Spielen in Mailand und der folgenden Heim-WM will man sozusagen den "Föifer und s Weggli".
Sieben Spieler - Goalie Stéphane Charlin, der Verteidiger Tim Berni sowie die Stürmer Simon Knak, Dario Rohrbach, Nicolas Baechler, Sandro Schmid und Tyler Moy - könnten in Herning zu ihren ersten WM-Einsätzen kommen, wobei der Servettien Berni schon vor zwei Jahren in Riga dabei war und mittrainierte, jedoch den Sprung ins offizielle Kader nicht schaffte, nachdem noch Verstärkung aus der NHL anreiste.
Das Kontingent aus Übersee ist etwas bescheidener als auch schon, aber doch vielversprechender als noch vor ein paar Wochen befürchtet. Vor allem Nico Hischier, der Center und Captain der New Jersey Devils, ist ein riesiger Gewinn, dazu bringt Timo Meier mit seiner Wucht Wasserverdrängung und internationale Härte mit, Jonas Siegenthaler und Janis Meier sorgen für Stabilität in der Abwehr.
Die zwei Spieler, die bei jedem Medaillengewinn der Neuzeit (Silber 2013, 2018 und 2024) dabei waren, fehlen aber. Roman Josi, einer der besten Verteidiger der Welt, kuriert die Nachwehen einer Hirnerschütterung aus, Nino Niederreiter steht in den Playoff-Viertelfinals der NHL. Noch kein Entscheid ist im Fall von Kevin Fiala gefallen, für den MVP der letzten WM wird Fischer so lange wie möglich einen Platz freihalten.
Für Fiala müsste noch einer der vierzehn nach Dänemark gereisten Stürmer weichen, von den neun Verteidigern bleibt auf jeden Fall einer überzählig. Fischer muss für das Startspiel am Freitagnachmittag gegen Tschechien nicht schon das gesamte, 25-köpfige Kader melden. Dass es gleich zum Auftakt zur Finalrevanche für das 0:2 im vibrierenden Hexenkessel von Prag kommt, sorgt aber dafür, dass die Schweizer sofort im Turnier ankommen dürften.
Die Vorrunde hat allerdings in der Ära Fischer, der seine neunte WM als Chef an der Bande in Angriff nimmt, zunehmend an Spannung verloren. Einfach, weil seine Mannschaft die so genannt mittleren und kleineren Nationen ausserhalb der Top 8 mittlerweile sehr souverän im Griff haben. Letztmals gab es 2017 eine Niederlage in Spielen, in denen die Schweizer nicht schon fix für die Viertelfinals qualifiziert waren (3:4 nach Verlängerung gegen Frankreich). Die K.o.-Runde verpasst haben sie seit 2016 und Fischers Premiere an der Bande nie mehr.
So gilt der Fokus seit einigen Jahren den Partien gegen die "Grossen", Fischer braucht Spieler, die dort nicht zuletzt auch physisch bestehen können. Da ist die Erfahrung aus der Euro Hockey Tour ungemein wertvoll, mittlerweile tritt man in jeder Saison bereits vor der WM je viermal gegen die Schwergewichte Schweden, Finnland und Tschechien an. Diesmal resultierten immerhin drei Siege, am Wochenende ein 8:2 gegen Finnland und ein 5:3 gegen Tschechien.
Die Aussichten sind also rosig, doch Fischer und Weibel müssen den Blick schon weiter nach vorne richten. Sie wollen möglichst vielen Akteuren WM-Erfahrung verschaffen, die in einem Jahr auch in Zürich eine Rolle spielen könnten. Sie sollen möglichst nicht ihr WM-Debüt mit dem zusätzlichen Druck zuhause geben müssen. "Ich nehme deshalb im Zweifelsfall lieber den, der zehn Jahre jünger ist", erklärte Fischer in der Vorbereitung.
Das Leistungsprinzip hebelt diese Intention selbstredend nicht aus. Mit Goalie Leonardo Genoni, dem ZSC-Gerüst Dean Kukan, Christian Marti, Denis Malgin und Sven Andrighetto sowie natürlich Andres Ambühl, der vor seinem Karrierenende noch ein 20. WM bestreitet und seinen Weltrekord weiter ausbauen wird, steht auch viel Erfahrung auf dem Eis.
So dürfte es in der Vorrunde auch diesmal keine negativen Überraschungen geben. Nach dem Start gegen Tschechien folgen gegen Dänemark (Samstag) und die USA (Montag) gleich zwei weitere wegweisende Spiele. Es lohnt sich, einen der ersten beiden Gruppenplätze anzustreben, um den Topteams der anderen Gruppe aus dem Weg zu gehen und auch den Viertelfinal am Donnerstag, 22. Mai, noch in Herning bestreiten zu können. Nach Stockholm möchten die Schweizer aber unbedingt - einfach erst für das Finalwochenende der Top 4. Daran ändert auch die Verjüngungskur nichts.