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"In der Schweiz sind wir nicht fanatisch genug"

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Der frühere Verteidiger Johan Djourou hat seit einem Jahr als Sportlicher Koordinator eine wichtige Rolle beim Schweizer Frauen-Nationalteam inne. Der 38-Jährige war 2008 bei der Männer-EM in der Schweiz und Österreich dabei, kennt den Druck, der auf Trainerin Pia Sundhage und ihren Spielerinnen lastet, wenn sie am Mittwoch in Basel in der ersten Partie auf Norwegen (21.00 Uhr) treffen. Seine Erfahrungen sind unbezahlbar. Im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA spricht er unter anderem über die Unterschiede zu England.

Djourou
Johan Djourou und Pia Sundhage anlaesslich eines Trainings der Schweizer Frauen Fussball Nati © KEYSTONE/Urs Flueeler

Johan Djourou, in welcher Stimmung befindet sich das Schweizer Frauen-Nationalteam wenige Tage vor Beginn der EM?

"Es herrscht viel Enthusiasmus, positive Energie und Zuversicht. Alle sind heiss auf die EM. Die Vorbereitung war lang, was vor allem mental anspruchsvoll war. Es gab mehrere Camps mit viel Intensität. Wir nähern uns dem Tag X und die Spielerinnen freuen sich sehr, dass es endlich losgeht."

Sie haben 2008 eine Heim-EM erlebt, die mit dem Ausscheiden in der Gruppenphase nicht sehr gut verlief. Wie hilft Ihnen diese Erfahrung gegenüber den Spielerinnen?

"Es gilt, sich bewusst zu sein, dass der Druck enorm ist. Und diesen Druck machen sich die Spielerinnen selbst. Sie wollen für das Schweizer Volk und ihre Familien gut abschneiden. Ich sage ihnen, dass sie sich auf das konzentrieren sollen, was sie kontrollieren können, und vor allem, dass sie nicht zu weit voraus denken sollen. Wichtig ist, von Tag zu Tag zu schauen, kühlen Kopf zu bewahren und mental nicht nachzulassen. Aber sie sind bereit, sie sind Profis. Sie wollen Erfolg haben und ein grossartiges Turnier spielen."

Welche Erinnerung haben Sie an die EM 2008?

"Leider war das Resultat nicht so gut, aber wenn ich an die Begeisterung, die Energie der Fans und das Feuer im Stadion denke, hoffe ich, dass die Frauen die Gelegenheit erhalten, dies dank der Fans ebenfalls zu erleben. Sie sind es nicht gewohnt, in vollen Stadien zu spielen. Eine Heim-EM ist etwas Einmaliges."

Was ist Ihre Aufgabe beim SFV?

"In erster Linie kümmere ich mich um das Impulsprogramm, dessen Ziel es ist, die wichtigsten Aspekte rund um das Schweizer Nationalteam schnell zu verbessern. Zum Beispiel haben wir im Bereich Medizin und Erholung einen Container aufgestellt, um den Spielerinnen Kältetherapien zu ermöglichen. Auch helfe ich Alice Holzer beim Projekt "Euro Legacy" (die Zahl der lizenzierten Fussballerinnen, Trainerinnen, Schiedsrichterinnen und Managerinnen in der Schweiz soll innerhalb von vier Jahren verdoppelt werden, die Redaktion). Neben dieser administrativen Arbeit bin ich viel auf dem Platz mit den Spielerinnen. Ich bin bei den Trainings dabei und versuche, ihnen individuell zu helfen, sei es den Verteidigerinnen oder den Stürmerinnen."

Sie haben das Projekt "Legacy" erwähnt: Was ist Ihrer Meinung nach der wichtigste Aspekt, damit der Frauenfussball in der Schweizer grosse Fortschritte erzielt?

"Es muss bei den Trainern beginnen. Die jungen Spielerinnen müssen schon auf Amateurniveau besser betreut werden. Bei den Jungen ist es das Gleiche: Viele Träume zerplatzen, weil die Betreuung nicht gut genug ist. Und natürlich wird es ohne mehr Infrastruktur keine Fortschritte geben. Der erhoffte Zustrom von jungen Spielerinnen wird neue Räume erfordern."

Immer mehr Spielerinnen wechseln frühzeitig ins Ausland. Ist das positiv für den Frauenfussball in der Schweiz oder behindert es die Entwicklung der heimischen Liga?

"Unsere Meisterschaften müssen eine gute Plattform für die Spielerinnen sein, um ins Ausland zu wechseln. Sie müssen sich dort bewähren, wenn die Schweiz in einigen Jahren mit Frankreich oder Spanien konkurrieren soll. In meinen Augen ist das eher etwas Positives."

Arsenal, einer Ihrer früheren Vereine, hat in dieser Saison die Champions League der Frauen gewonnen. Nächstes Jahr wird das Frauenteam alle Spiele im Stadion der ersten Mannschaft der Männer vor mehreren zehntausend Zuschauern austragen. Warum ist der Frauenfussball in England so erfolgreich?

"Es herrscht dort eine etwas andere Kultur als in der Schweiz. In England ist ein Verein wie eine Religion und die Leute schauen, egal ob Männer oder Frauen spielen. Bei uns sind wir noch nicht so fanatisch wie in England."

Sie haben mehrere Rollen: Trainer der U15-Juniorinnen des FC Lancy, Sportkoordinator beim SFV, waren TV-Experte - welche Rolle erfüllt Sie am meisten?

"Alles zusammen, aber der Höhepunkt ist, die Fortschritte der Mädchen zu sehen, sei es in der Schweiz oder in Lancy. Es ist fantastisch zu erleben, wie sie verstehen, was du ihnen vermittelst, wie sie bestimmte Dinge umsetzen, manchmal sogar sehr schnell. Zu sehen, wie sich die Spielerinnen entwickeln und wie sie Spass haben, das ist es, was mir gefällt.

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