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Kann der FC Thun sogar Meister? Zwei Meinungen

Andy-Pat

Goodbye WM-Qualifikation, welcome back Brack Super League. Und da führt der Aufteiger FC Thun nach 13 Spieltage die Tabelle mit neun Punkten Vorsprung an. Bahnt sich mit Blick auf das Meisterrennen eine Sensation an? Unsere Redaktoren Patrick Y. Fischer und Andy Maschek sind unterschiedlicher Meinung.

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Können sich die Spieler des FC Thun im Frühling gar als Meister feiern lassen? © KEYSTONE/Jean-Christophe Bott

Patrick Y. Fischer sagt: Ja

Der ist ziemlich gut gealtert. Im Juli lancierte ich im Titel eines Beitrags zu den möglichen Überraschungen der anstehenden Saison den FC Thun als Champions-League-Kandidaten. Eigentlich ein Witz, maximal mit Clickbait-Potential – und jetzt stehen die Berner Oberländer doch tatsächlich an der Super-League-Tabellenspitze. Nicht um mich für mein vorgetäuschtes Vertrauen zu belohnen, sondern weil sie es bislang ganz einfach verdienen.

Als Aufsteiger und automatischer Abstiegskandidat gestartet, sind die Thuner 13 Spieltage später die beste Mannschaft der Brack Super League. Weil sich die ultimative Antidote jeder noch so verlockenden Werbung wieder einmal bewahrheitet: Wichtig ist nicht die Verpackung, sondern deren Inhalt. Und dieser ist im Fall des FC Thun so stabil, so widerstandsfähig und so konstant, wie sonst nirgends in der Schweizer Beletage.

Angefangen beim Führungs-Duo aus Präsident Andres Gerber und Trainer Mauro Lustrinelli, das den Klub schon zu Aktivzeiten prägte und in den letzten drei Jahren gemeinsam weiterentwickelte. Mit Spielern wie Leo Bertone, Michael Heule, Keeper Niklas Steffen, Elmir Rastoder oder Captain Marco Bürki, welche auf SL-Niveau allesamt bereits einmal gewogen und als zu leicht empfunden worden waren. Und schliesslich mit einem Umfeld um Sportchef Dominik Albrecht, dass schon immer verstehen musste, aus weniger mehr zu machen.

Natürlich: Seit dem Einstieg des lokalen Investors und Unternehmers Beat Fahrni verfügen nun auch die Thuner über gewisse Mittel, um sich mit Spielern wie Brighton Labeau, Matthias Käit oder Kastriot Imeri zu verstärken oder um ein Talent wie Ethan Meichtry nach dem Aufstieg zu halten. Im Vergleich mit dem FC Basel, mit YB oder mit Lugano sind die Oberländer aber unverändert ein kleines Licht. Mit 13,45 Mio. Euro Gesamtmarktwert belegt man aktuell Rang 11 in jener Tabelle, die vor allem eines aufzeigt: Wo verhältnismässig gut, und wo vergleichsweise schlecht gearbeitet wird.

Und genau hier sehe ich auch den Hauptgrund für meine Überzeugung, dass der FC Thun in dieser Spielzeit Schweizer Meister werden kann. Wo andere patzen (Basel, Luzern), sich selbst immer wieder ein Bein stellen (YB, Servette, Zürich), während Wochen der eigenen Form hinterher laufen (Lugano) oder sich im Auslassen erstklassiger Torchancen überbieten (Sion), beschränken sich die Thuner ganz einfach auf das, was sie können: keine «Unforced Errors» begehen, ihre Leistung Spieltag für Spieltag abrufen und dann zupacken, wenn sich ihnen die Chance bietet. Das war bislang oft genug der Fall, während sich die Konkurrenz regelmässig selbst im Wege steht. Und so lange sich das nicht nachhaltig ändert, kann der FC Thun in dieser Spielzeit durchaus ein Schweizer Fussballmärchen schreiben.

Andy Maschek sagt: Nein

Es ist ebenso beeindruckend wie begeisternd, was der FC Thun in dieser Saison bislang zeigt. Mauro Lustrinelli und sein Team mischen als Underdog die Liga auf, spielen trotz des geringen Budgets – nur Winterthur verfügt über noch geringere finanzielle Mittel – im nationalen Konzert der Grossen mit. Aktuell haben die eigentlichen Titanen, der FC Basel und die Young Boys, einen Rückstand von satten neun Punkten auf die «kleinen» Thuner. Deren 31 Punkte nach 13 Spielen sind für einen Aufsteiger ein Liga-Rekord und mittlerweile sehen auch die Buchmacher die Berner Oberländer als Favoriten auf den Meistertitel.

Die Aussicht auf ein Fussball-Märchen ist auch für mich reizvoll, ich würde dem sympathischen FC Thun den Coup auch von Herzen gönnen. Doch mir fehlt der Glaube an diese Sensation. Natürlich, die Thuner haben gemeinsam mit St. Gallen bislang am meisten Tore erzielt und sie stellen die beste Defensive der Liga. Sie haben ligaweit am meisten Zweikämpfe gewonnen und gehören in verschiedenen weiteren Bereichen zu den besten Teams der Super League. Doch es gibt auch Fakten und Tendenzen, die gegen einen Meistertitel sprechen und in meinen Augen überwiegen.

Da sind die Gegner, allen voran Titelverteidiger Basel und die Young Boys. Beide haben bislang geschwächelt, doch über alles gesehen steckt in ihren Teams eine immens grössere Substanz. Verletzungen, und die sind bei keinem Team vermeidbar, können so besser weggesteckt und kompensiert werden. Es ist auch kein Zufall, dass der FC Thun die beiden einzigen Niederlagen bis jetzt gegen den FCB und YB kassiert hat. Bis es zur Aufteilung in die Championship Group und die Relegation Group kommt, wird Thun noch zweimal gegen die beiden Grossklubs spielen. Innerhalb der Top 6 der Liga bekommt es Thun dann nochmals je einmal mit dem FCB und YB zu tun, vorausgesetzt natürlich, dass dieses Trio weiter in der oberen Tabellenhälfte bleibt. Und auch in diesen Direktvergleichen sehe ich für die Berner Oberländer zwar nicht gerade schwarz, aber definitiv auch nicht optimistisch entgegen.

Über kurz oder lang wird sich der Qualitäts- und Quantitätsunterschied auswirken, wird entscheidend sein, dass die Basler und die Berner besser und breiter aufgestellt sind. Ein gutes Momentum alleine reicht nicht, um dem entgegenzuhalten. Zudem darf man gespannt sein, wie Thun Rückschläge und weitere Niederlagen – und die werden kommen – mental wegstecken kann. Denn Titel werden bekanntlich nicht nur auf dem Rasen, sondern auch im Kopf gewonnen. Und genau da haben die Thuner den grössten Nachteil im Vergleich zu den Titanen, die unter anderem Spieler wie Xherdan Shaqiri, Marwin Hitz, Christian Fassnacht oder Loris Benito in ihren Reihen haben, die wissen, wie man mit Druck umgehen muss. Und dieser Druck würde auch beim Aufsteiger bestehen, wenn Thun im Saisonfinish immer noch ganz vorne mitmischen sollte. Dann wären Siege nicht mehr nur nett und willkommen, sondern zwingend und gefordert. Und das könnte und würde lähmend wirken.

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