"Keiner macht mehr, um in die Nati zu kommen"
Am Montagnachmittag spielt Tyler Moy an der WM erstmals mit der Schweiz gegen sein Geburtsland USA. Vor diesem "super speziellen" Duell ist der Stürmer der Rapperswil-Jona Lakers im Hoch.
Selten sieht man Tyler Moy derart unbeschwert lachen, im Scheinwerferlicht der Arena in Herning gleissen die Kronen in seinen Zähnen. Ebenso glänzend war sein Auftritt am Samstagabend im zweiten WM-Spiel mit zwei Toren und einem Assist beim 5:2-Sieg gegen Dänemark. Der amerikanisch-schweizerische Doppelbürger erntet den Lohn für Hartnäckigkeit und kluge Planung.
Moy, vor 29 Jahren im sonnengeküssten San Diego zur Welt gekommen, ist nicht der typische kalifornische Sonnyboy. Vielmehr ein Mensch, der reflektiert, der auch mal über den Tellerrand hinaussieht, sich viele Gedanken über das Eishockey und anderes macht. Oder wie es Nationalcoach Patrick Fischer ausdrückt: "Ich glaube, es gibt keinen, der mehr macht, um in die Nati zu kommen. Er versucht, sich mit Videos zu verbessern, macht Extratrainings." Nun hat sich dieser Sonderaufwand erstmals gelohnt, nachdem Moy in den letzten beiden Jahren dem letzten Kaderschnitt vor der WM zum Opfer gefallen war.
Dass er je für die Schweizer Nationalmannschaft auflaufen würde, konnte sich der Sohn eines Amerikaners und einer Schweizerin lange nicht vorstellen. "Als Kind war ich Fan der USA und der Schweiz, wenn ich am TV schaute", blickt er zurück. Aber mit der Mutter, die aus dem luzernischen Nebikon stammt, sprach er nie Deutsch. "Mein Dad ist aus Detroit und versteht kein Deutsch, und meine Mom dachte nicht, dass ich je Schweizerdeutsch brauchen würde." Nun ist er via App daran, zumindest Hochdeutsch zu lernen. "Und dann versuche ich, das Gelernte mit dem zusammenzubringen, das ich von den Leuten höre", meint er lachend.
Die Eishockey-Sprache ist sowieso Englisch, da hat er keinerlei Probleme. Die Erleichterung, es endlich an eine WM geschafft zu haben, ist aber gross. "Ich habe lange und hart dafür gearbeitet", betont der Flügelstürmer. "Es ist eine grosse Ehre, und ich bin dankbar für diese Chance." Sein Glück war wohl, dass Kevin Fiala nicht schon zum Start der WM dabei war.
So erhielt Moy die Chance, neben den NHL-Stars Nico Hischier und Timo Meier zu spielen. "Das sind zwei derart unglaubliche Spieler", gerät er ins Schwärmen. "Ich erhielt zwei grossartige Pässe, da hatte ich es einfach, die im Netz zu versenken." Das ist auch Moys Aufgabe, und in der Vergangenheit sein grösstes Manko. Er ist ein eindimensionaler Spieler, der an den Toren gemessen wird. "Er ist keiner für die dritte oder vierte Linie, und an den letzten Weltmeisterschaften waren die eben schon besetzt", sagt Patrick Fischer.
Nach der Niederlage gegen Tschechien war er mit seiner Paradelinie nicht zufrieden und spielte mit dem Gedanken, Sandro Schmid anstelle von Moy aufzustellen. "Zum Glück habe ich es nicht getan", meint Fischer danach lachend.
Im Spiel sieht Moy nicht wie der geborene Kämpfer aus, harte Arbeit ist ihm aber alles andere als fremd. Er ging nicht den Weg des geringsten Widerstands, sondern spielte an der Universität von Harvard, einer der renommiertesten Hochschulen der Welt, im Eishockeyteam. "Es war hart, Sport und Unterricht unter einen Hut zu bringen", erinnert er sich. "All die langen Nächte mit Studienprojekten und dem Lernen auf Prüfungen, das hat mich Hartnäckigkeit gelehrt." Der Lohn ist ein Bachelor in Menschlicher Evolutionsbiologie.
Auch Moys Weg in der Schweiz zeugt von kluger Planung. Nach seiner College-Karriere und einem Jahr in der AHL kam er in die Westschweiz, erst nach Lausanne, dann zu Servette. Vor drei Jahren wechselte er trotz laufendem, gut dotiertem Vertrag zu den Rapperswil-Jona Lakers. Ein familiäres Umfeld und eine grössere Rolle auf dem Eis waren und sind wichtiger als mehr Geld. Schon früh in dieser Saison verlängerte er um ein weiteres Jahr.
Am Oberen Zürichsee empfahl sich Moy auch für die Nationalmannschaft und kommt nun zu einem besonderen Zückerchen. Im dritten Gruppenspiel heisst der Gegner am Montagnachmittag USA. "Das wird super speziell", freut er sich bereits. "Es ist eine einmalige Erfahrung, gegen dein Geburtsland zu spielen." Seine Familie werde selbstverständlich der Schweiz die Daumen drücken. "Und wäre es nicht grossartig, wenn USA-Schweizer gegen einen Schweiz-Amerikaner ein Tor schiessen würde?" Bei den USA könnte Joey Daccord, Sohn des langjährigen Ambri-Goalies Brian Daccord im Kasten stehen.