Marlen Reusser greift in Kigali nach dritter Medaille
Nach ihrer Goldfahrt im Zeitfahren strebt Marlen Reusser am Samstag im Strassenrennen der WM in Ruanda den nächsten Coup an. Es dürfte das härteste Frauen-Rennen der WM-Geschichte werden.
Die WM-Mission in Ruanda ist für Marlen Reusser noch nicht zu Ende. Nach Gold im Zeitfahren und Bronze im Mixed-Teamzeitfahren hat die Bernerin die Chance, mit einer dritten Medaille zur grossen Figur dieser historischen ersten Strassen-WM auf afrikanischem Boden zu werden. Reusser zählt zu den wenigen Fahrerinnen, die in Kigali das komplette Programm bestreiten - ein physisch wie mental fordernder Kraftakt.
Dabei war ihr Weg an die WM alles andere als geradlinig. "Ich fühle mich gut", bekräftigt die 32-Jährige am Donnerstagabend in einer Medienrunde. "Gleichwohl bin ich überrascht, wie sehr mich das Zeitfahren emotional und körperlich beansprucht hat." Über den Sommer schlug sich Reusser wiederholt mit gesundheitlichen Problemen herum. Ob die Energie auch noch für das 164 km lange Strassenrennen mit zahlreichen Höhenmetern reicht, wird sich weisen.
Die Strecke durch die ruandische Hauptstadt hat es in sich: elf Runden auf einem anspruchsvollen Stadtkurs, gespickt mit einem zermürbenden Kopfsteinpflaster-Anstieg kurz vor der Zielpassage. Hinzu kommt die Höhenlage auf rund 1500 Metern sowie die mässige Luftqualität, die den Profis zu schaffen macht. "Auch ich merke das, aber ich komme damit wohl besser zurecht als andere", sagt Reusser.
Die Weltklasse-Zeitfahrerin hat sich über die Jahre auch zu einer starken Kletterspezialistin entwickelt. In diesem Jahr gewann sie die Burgos-Rundfahrt und die Tour die Suisse, an der Vuelta sowie am Giro d'Italia belegte sie jeweils den 2. Platz.
Im erwarteten Ausscheidungsrennen am Samstag kann die Schweizer Teamleaderin auf die Unterstützung eines schlagkräftigen Teams zählen. Erstmals hätte die Equipe von Swiss Cycling - wie andere Topnationen - das maximale Kontingent von sieben Fahrerinnen ausschöpfen dürfen, jedoch fielen Steffi Häberlin (Ellbogenverletzung) und Elena Hartmann (familiäre Gründe) kurzfristig aus.
Mit Elise Chabbey, der Siegerin der Tour de Romandie und Trägerin des Bergtrikots an der Tour de France, sowie Noemi Rüegg, der Olympia-Siebten von Paris, steht Reusser geballte Qualität zur Seite. Dazu kommen mit Ginia Caluori und Jasmin Liechti zwei aufstrebende Talente. Die formstarke Genferin Chabbey hat ausserdem schon mehrfach bewiesen, dass sie sich in der Rolle der Aussenseiterin wohl fühlt.
Die Konkurrenz ist prominent, auch wenn mit Lotte Kopecky die Weltmeisterin der vergangenen beiden Jahre fehlt. Die Topfavoritin ist die Französin Pauline Ferrand-Prévot, in diesem Jahr Siegerin bei Paris-Roubaix und der Tour de France. Elf Jahre nach ihrem bislang einzigen Strassen-WM-Titel will sie es die mehrfache Mountainbike-Weltmeisterin noch einmal wissen.
Die Niederlande setzen mit Demi Vollering und der zweifachen Weltmeisterin Anna van der Breggen auf zwei bewährte Topfahrerinnen. Italien fährt für Giro-Siegerin Elisa Longo Borghini. Und die Schweiz? Sie setzt auf Teamstärke - und eine Reusser, die bereits zwei Mal auf dem Podest gestanden ist.