Schimpfen und Schweigen - Die Diskussionen um den Strafenkatalog
Das F-Wort brockte Max Verstappen sogar schon Sozialstunden ein. In den Zwist um den verschärften Strafenkatalog kommt Bewegung. Der Weltverbandschef geht dabei auf seine Stars zu.
Vor dem ersten USA-Trip der Formel 1 nach Florida schlägt Mohammed Ben Sulayem, der Präsident der FIA, den Versöhnungskurs ein. Der starke Mann aus den Vereinigten Arabischen Emiraten will in umstrittenen Punkten im von ihm verschärften Strafenkatalog für die Fahrer plötzlich einlenken.
Wie weit aber will Ben Sulayem den Strafenkatalog, der auch schon als Maulkorb bezeichnet wurde, tatsächlich aufweichen? Und wird das die Laune verärgerter Fahrer wie Max Verstappen nachhaltig heben? Die nächsten Meetings werden Aufschluss geben.
Der Obmann des Motorsport-Weltverbandes habe jedenfalls "konstruktives Feedback" von Piloten aus den verschiedenen FIA-Rennserien bekommen. So berichtete es Ben Sulayem auf seinem Instagram-Account. Deshalb ziehe er "Verbesserungen" zu Anhang B im Internationalen Sportkodex in Betracht. Dort sind für die Stewards die Sanktionen zum Fluchen und Schimpfen von Fahrern aufgeführt. "Als ehemaliger Rallye-Fahrer verstehe ich die Anforderungen, denen sie ausgesetzt sind, besser als die meisten anderen", so Ben Sulayem.
Gerade aus seiner alten Szene musste der Funktionär aus Dubai viel Kritik einstecken. Nach der Rallye in Schweden im Februar sorgte eine Busse in Höhe von 10'000 Euro wegen Äusserungen in einem TV-Interview gegen Adrian Foumaux für Unmut. "Die Härte der Sanktionen, die wegen geringfügiger, vereinzelter und unbeabsichtigter sprachlicher Ausrutscher verhängt werden, hat ein inakzeptables Ausmass erreicht", schreibt die Gewerkschaft der Rallyefahrer.
Ben Sulayem veröffentlichte Ende Januar den verschärften Strafenkatalog, der das Fluchen sanktioniert, weil dadurch der Weltverband "moralischen Schaden nehmen könne". Ob durch Worte, Taten oder Schriften - alles ist im umstrittenen Anhang B festgehalten und mutet einigen wie Zensur an.
Max Verstappen und seine Formel-1-Kollegen fühlen sich von der FIA bevormundet und beklagen sich über die Regulierungswut des Verbandschefs. Zudem bemängeln sie fehlende Transparenz und fehlendes Fingerspitzengefühl: Carlos Sainz (Williams) musste 10'000 Euro bezahlen, weil er wegen eines WC-Gangs vor dem Rennen in Japan zu spät zur Nationalhymne erschien. "Ich hoffe, dass mir jemand verrät, wo diese 10'000 Euro hingehen", sagte der Spanier.
Weltmeister und Superstar Max Verstappen verhängte sich beim letzten Rennen in Saudi-Arabien sogar selber einen Maulkorb und sagte kein Wort gegen die aus seiner Sicht ungerechtfertigte Fünf-Sekunden-Strafe wegen Abkürzens in den ersten Rennkurven. "Das Problem ist, dass ich meine Meinung dazu nicht sagen kann, weil ich bestraft werden könnte. Also ist es besser, nicht darüber zu sprechen", so der viermalige Weltmeister.
Verstappen weiss aus eigener Erfahrung, wohin einen unbedachte oder unerwünschte Worte bringen können. Im September 2024 hatte er sich beim GP von Singapur über das Verhalten seines Fahrzeugs aufgeregt und dabei das englische F-Wort benutzt. Als Strafe musste er Ende des Jahres am Rande der FIA-Gala in Ruandas Hauptstadt Kigali Sozialarbeit leisten.
Im aktuellen Strafenkatalog werden die Bussen für Formel-1-Fahrer mit dem Faktor 4 multipliziert. So muss ein Pilot bei bestimmten Vergehen gleich 40'000 Euro bezahlen, beim zweiten Verstoss sogar 80'000 und beim dritten schon 120'000. Möglich sind auch Sperren und Punktabzug. Dabei wären Emotionen eigentlich erwünscht: "Wir wollen die Fahrer und ihre Emotionen nicht stummschalten", sagt Toto Wolff (Mercedes). Eines haben die Fahrer schon erreicht: Schimpfworte im Funkverkehr bleiben ungeahndet.