Slot oder Salah – wer hat in Liverpool eine Zukunft? Zwei Meinungen!
Baseball-Ikone Yogi Berra wusste es: «Kommst du an eine Weggabelung, dann nimm sie.» Ähnlich simpel dürften die Gedankengänge beim FC Liverpool dieser Tage nicht sein. Schliesslich gilt es beim kriselnden Meister neu nicht mehr nur das sportliche Tief, sondern auch die unzufriedene Klublegende Mo Salah und dessen Kritik an Trainer Arne Slot zu moderieren. Welche der beiden Schlüsselfiguren hat in Liverpool noch eine Zukunft? Unsere Redaktoren Patrick Y. Fischer und Andy Maschek sind sich nicht einig.
Patrick Y. Fischer sagt: Arne Slot
Nein, aus einer Position der Stärke kann derzeit nicht für Arne Slot als Liverpool-Trainer argumentiert werden. Nicht nach nur vier Siegen in den letzten 15 Spielen, nicht nach Rang 9 in der aktuellen EPL-Tabelle und nicht nach der jüngsten Kritik von Star-Stürmer Mo Salah am Umgang mit seiner Person. Von einer «nicht existierenden» Beziehung und «fehlendem Respekt» sprach der Ägypter nach dem Spiel gegen Leeds – und lieferte damit wunderbares Futter für die ohnehin bereits bestens mit Schlagzeilen versorgten britischen Tabloids. Allerdings: Die Klub-Legende zeigte damit auch, dass sie nicht gewillt ist, persönliche Interessen hinter die akuten Probleme des Klubs zu stellen.
Denn nach über achteinhalb Jahren im Kreise der Reds weiss Salah nur zu gut, was er mit seinem Auftritt am Samstag provozierte: Weitere Unruhe, Spekulationen und zusätzliche Kritik am Niederländischen Meistertrainer und dessen Versuchen, eine aus dem Ruder laufende Spielzeit wieder unter Kontrolle zu bringen. Der ägyptische Nationalheld kann sich seines Status als Klublegende dank 250 Toren und neun gewonnen Titeln sicher sein. Seine persönliche Situation über die Probleme des Klubs zu stellen, spricht trotzdem nicht für die Führungsqualitäten des 33-jährigen Angreifers, der an der Anfield noch bis Juli 2027 unter Vertrag steht.
Dabei besonders verblüffend: Wer seiner Unzufriedenheit nach gerade einmal drei Spielen innert Wochenfrist (Salah sass gegen West Ham erstmals auf der Bank) Luft macht, und sich dabei u.a. auf den Standpunkt beruft, aufgrund frühere Verdienste das Recht zu verdienen, «nicht ständig um seinen Platz im Team kämpfen zu müssen», verkennt offensichtlich nicht nur den leichten Aufwärtstrend (fünf Punkte) der letzten drei Spiele, sondern ganz allgemein die Realitäten im Profisport. Und: Er stellt deutlich unter Beweis, dass er aktuell nicht über die Art von Mentalität verfügt, die Liverpool in der momentanen Situation benötigt.
Denn gefragt sind Teamspirit, Leadership by Example und das Zurückstellen der eigenen Interessen im Sinne des Klubs. Alle diese Qualitäten hat Mo Salah dieses Wochenende vermissen lassen und stattdessen ganz bewusst die Konfrontation gesucht. Das macht ihn für die Reds noch viel entbehrlicher, als es seine auf dem Platz eingebrochene Produktivität ohnehin schon gemacht hat.
Andy Maschek sagt: Mo Salah
15 Spiele, 23 Punkte und Rang 10 in der Tabelle der Premier League, punktgleich mit Aufsteiger Sunderland. Dazu kommen bescheidene Auftritte in der Champions League, beispielsweise bei den Niederlagen gegen Galatasaray und den PSV Eindhoven. Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei Liverpool weit auseinander. Der Klub, dessen Kader mit einem Marktwert von 1,15 Milliarden Euro beziffert wird, steckt in der Krise, dümpelt in der Bedeutungslosigkeit herum. Eine Niederlage heute Abend in der Champions League gegen Inter Mailand würde diese brisante Situation noch weiter verschärfen – und vielleicht zur grossen Explosion führen.
Die Reds feierten in den letzten Jahren grosse Erfolge. Auf dem Feld angeführt vom Ägypter Mohamed Salah, der in den letzten achteinhalb Jahren zum Gesicht des Klubs und des sportlichen Erfolges wurde. Zuletzt war Salah bei Liverpool aber nur noch zweite Wahl – und sorgte für dicke Luft, als er seinem Frust und Unmut Luft verschaffte und in einem explosiven Interview sein Verhältnis zu Coach Arne Slot als zerrüttet bezeichnet und gesagt hatte: «Es fühlt sich an, als hätte der Klub mich unter den Bus geworfen.»
Es ist ein Machtkampf, der nun an der Anfield Road tobt. Auf der einen Seite Coach Slot, der seit Sommer 2024 die Verantwortung an der Linie trägt und als Nachfolger von Ikone Jürgen Klopp mit seinem Team auf Anhieb Meister wurde. Auf der anderen Seite Salah, der Mann, der Superstar, der in dieser Saison zwar noch nicht wirklich überzeugte, aber mit fünf Treffern hinter Hugo Ekitiké dennoch zweitbester Torschütze ist. Weit vor den sündhaft teuren Zuzügen Alexander Isak (2 Tore) und Florian Wirtz (0) beispielsweise.
Niemand ist grösser als das Team: Dieses Motto wird im Spitzensport oftmals zitiert und hat durchaus seine Berechtigung. Doch auch in fast jedem erfolgreichen Team gibt es einen Primus inter Pares – und bei Liverpool ist dies Salah. Der frühere Basler ist mit 33 Jahren noch nicht zu alt für Top-Leistungen und kann bei Liverpool auch in Zukunft ein entscheidender Spieler sein. Mit seinen Aussagen hat er ein Feuer entfacht, das mittlerweile zu einem Flächenbrand wurde. Fürs heutige Spiel gegen Inter Mailand hat ihn Trainer Slot aus dem Kader gestrichen. Der Niederländer hat gezeigt, dass er den Machtkampf annimmt – und geht so All-in.
Der Trainer und sein Star werden fussballerisch nicht mehr zueinander finden. Gemeinsam haben sie im Klub keine Zukunft mehr. Eine Trennung wird folgen. Der gekränkte Salah könnte in die Wüste flüchten und sich dort vergolden lassen. Doch auch wenn Ruhm und Ehre vergänglich sind, wird er den Machtkampf gewinnen. Der Leistungsausweis von Slot ist zu wenig beeindruckend, um auf Dauer an ihm festzuhalten und sich von Salah zu trennen. Stattdessen wird der Klub den Trainer in die Wüste schicken. Wenn die Engländer heute gegen Inter Mailand verlieren, ist dies vielleicht schon in den nächsten Tagen der Fall.