Staudenmanns Karriere: viele Höhe- und wenig Tiefpunkte
Fabian Staudenmann startet als einer der ganz grossen Favoriten auf den Königstitel ins eidgenössische Jahr. Der etwas andere Rück- und Ausblick mit dem besten Schwinger der letzten beiden Jahre.
Fabian Staudenmann hat die Schlussgang-Wertung sowohl 2023 als auch 2024 für sich entschieden und ist so faktisch der beste Schwinger der vergangenen beiden Jahre. Selbstredend gehört er beim Eidgenössischen in Mollis Ende August zum engsten Favoritenkreis. Vor der am Sonntag beginnenden Kranzfestsaison blickt der 25-jährige Berner mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf seine bisherige Karriere zurück und auf den Saisonhöhepunkt voraus.
18. Juli 2021, Zollikofen: Ein kräftiger Kurzzug von Staudenmann bringt König Kilian Wenger aus dem Gleichgewicht und in Rücklage. Der Mittelländer lässt sich diese Chance nicht entgehen und bettet den König von 2010 ins Sägemehl. Die wenigen Zuschauer werden Zeugen eines historischen Moments. Der Sieg im Schlussgang des Mittelländischen in Zollikofen ist der erste Kranzfestsieg für den damals 21-jährigen Fabian Staudenmann.
"Ich war sehr nervös vor dem Schlussgang", sagt Staudenmann. "Und umso erleichterter danach. Ausgerechnet an meinem Heimfest den ersten Kranzfestsieg erschwungen zu haben, erfüllt mich mit viel Stolz."
25. September 2021, Kilchberg: Der Saisonhöhepunkt scheint nach dem Morgen bereits gelaufen. Zweimal muss sich Staudenmann am Vormittag mit einer Punkteteilung zufriedengeben. In der zweiten Wettkampfhälfte jedoch bläst der Berner zur Aufholjagd, lässt sich dreimal die Maximalnote schreiben und wird schliesslich neben den Ostschweizern Samuel Giger und Damian Ott zum Co-Sieger am Kilchberger ausgerufen.
"Ich habe die Wut am Mittag in der Garderobe herausgelassen und erkannt, dass ich nun definitiv nichts mehr zu verlieren habe. Am Nachmittag habe ich etwas gefrustet, aber sehr befreit geschwungen. Schliesslich witterte ich nicht mal mehr den Hauch einer Chance, nochmals um den Festsieg mitschwingen zu können. Entsprechend überwältigt war ich, als ich zumindest einigermassen realisiert habe, was ich da geschafft hatte."
26./27. August 2022, Pratteln: Drei Jahre zuvor in Zug noch nicht im Kreis der Königsanwärter, gehört Staudenmann in Pratteln zum engsten Favoritenkreis. Einem Gestellten zum Auftakt gegen Samuel Giger lässt er fünf Siege folgen. Gegen den späteren König Wicki resultiert ein Gestellter - weg ist die Schlussgang-Teilnahme. Am Ende bleibt der 3. Rang.
"Ich fühlte mich sehr geehrt, dass ich die letzte Paarung des ersten Ganges gegen Favorit Samuel Giger bestreiten durfte. Es waren zwei tolle Tage mit sportlich guten bis sehr guten Leistungen von mir. Einzig mit dem siebten Gang gegen Joel Wicki war ich nicht ganz zufrieden. Ich hatte das Gefühl, nicht alles aus mir herausgeholt zu haben."
27. August 2023, Interlaken. Der Zug des Gegners folgt direkt auf das "Guet" des Kampfrichters. Staudenmann zieht die Beine an, hängt am Hals seines Kontrahenten wie ein Kind am Vater. Wenig später liegt er im Sägemehl, eingebettet von Festsieger Samuel Giger. Das Anschwingen beim Unspunnenfest verläuft gar nicht nach dem Gusto des Berner Mittelländers, der mit sieben Festsiegen zum Saisonhöhepunkt angereist ist. Für Staudenmann ist es die dritte Niederlage im fünften Zusammengreifen mit dem Thurgauer Kraftprotz. Auf den ersten Sieg wartet der Guggisberger zu diesem Zeitpunkt noch immer. Es ist eine bittere Niederlage für Staudenmann, zumal er ansonsten ein makelloses Notenblatt hat, sich am Ende aber nur im 3. Rang klassiert und Giger den Sieg am Fest mit eidgenössischem Charakter überlassen muss.
"Im Nachhinein musste ich mir eingestehen, etwas planlos in den ersten Gang gestiegen zu sein. Ich beging technische Fehler und musste ganz klar anerkennen, dass an diesem Tag ein Konkurrent stärker war als ich. Solche Niederlagen schmerzen im ersten Moment natürlich. Auf der anderen Seite kann man daraus auch Motivation schöpfen, um weiter intensiv zu trainieren und sich zu verbessern."
11. August 2024, Burgdorf: Die letzten Sekunden laufen. Der Kampfrichter schaut bereits auf die Uhr, jeden Moment muss der Schlussgang am Bernisch Kantonalen vorbei sein, wird Matthias Aeschbacher als lachender Dritter den Festsieg erben. Bei brütender Hitze mobilisiert Staudenmann seine letzten Kräfte, lanciert Angriff um Angriff - und bringt Giger tatsächlich zu Fall und im Nachdrücken mit beiden Schulterblättern ins Sägemehl. Ein fragender Blick zum Kampfrichter, dann der Urschrei in der bis auf den letzten Platz gefüllten Arena. Es ist geschafft. Im siebten Anlauf kann Staudenmann erstmals gegen Giger gewinnen.
"Vor dem Fest habe ich an einer starken Grippe gelitten. Bis am Vorabend zweifelte ich gar an der Teilnahme. Bereits im ersten Gang gegen Samuel Giger habe ich mich gut gefühlt, kam jedoch nicht zum Resultat. Am Mittag war unklar, ob meine Kraftreserven für den gesamten Tag ausreichen würden. So kam ich im Schlussgang auch an mein absolutes Limit. Als ich beim Platzinterview gefragt wurde, woher ich die Kraft für den entscheidenden Wurf genommen habe, antwortete ich: 'Wohl aus dem kleinen Zeh, denn mein ganzer Körper war völlig blau.' Als ich wieder Luft bekam, war die Freude über den Festsieg riesig und mit meiner suboptimalen Vorbereitung für mich auch etwas überraschend."
8. September 2024, Appenzell: Viel wird nach dem Anschwingen gegen Werner Schlegel über die Notengebung diskutiert. Obwohl beide Athleten einen spektakulären Gang zeigen und den Sieg suchen, erhalten sie nur eine 8,75. Das fehlende "Vierteli" bringt Staudenmann schliesslich um den alleinigen Festsieg. Das tut der Freude im Regen von Appenzell aber keinen Abbruch. Im Gegenteil: Überraschungsmann Fabio Hiltbrunner macht den Berner Triumph mit dem Co-Sieg perfekt. Für Staudenmann ist es der zweite Sieg an einem Fest mit eidgenössischem Charakter.
"Ich bin etwas verhalten gestartet, fand anschliessend aber sehr gut ins Fest hinein. Ein wunderschöner Sieg, der durch einen unglaublichen Teamspirit gezeichnet war. An diesem Fest sind wir als Berner Mannschaft nach dem nicht für uns verlaufenen ersten Gang noch näher zusammengerückt und kamen gemeinsam in einen Flow."
30./31. August 2025, Mollis: Ende August steht im Glarnerland mit dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest der Höhepunkt der Saison an. Verläuft alles wie erwartet, gehört Fabian Staudenmann bei seiner dritten Teilnahme zum engsten Favoritenkreis.
"Zwei Tage und viele Schwinger mit demselben Ziel: Ich will am Sonntagabend in den Spiegel schauen können und sagen, dass ich in jedem Gang ans Limit gegangen bin und das Maximum im jeweiligen Moment aus mir herausgeholt habe. Das allein kann und will ich beeinflussen."