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Terchoun sieht noch einiges an Handlungsbedarf

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Meriame Terchoun gibt dem Frauenfussball ein Gesicht und eine Stimme. Die 29-jährige Schweizer Nationalspielerin spricht über Entwicklungen, Benachteiligungen und Machtkämpfe abseits des Platzes.

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Meriame Terchoun hatte mit einigen Widerständen zu kämpfen © KEYSTONE/MICHAEL BUHOLZER

Meriame Terchoun, wie hat sich die öffentliche Wahrnehmung des Frauenfussballs während ihrer Zeit als Fussballerin verändert?

"Stark. Viel mehr Leute zeigen Interesse. Gerade jetzt, vor der Heim-EM, ist das Interesse gross, auch vonseiten der Medien. Das hat es früher nicht gegeben. Aber wir sind aktuell immer noch nicht auf dem Stand, den wir uns wünschen. Was die Präsenz im Fernsehen angeht, da tut sich die Schweizer Liga nach wie vor schwer. Eine Veränderung ist spürbar, aber es gibt noch viel zu tun."

Können Sie konkrete Beispiele nennen?

"In der Schweiz haben sich die Vereine positiv entwickelt in Sachen Strukturen mit medizinischer Unterstützung, Reha-Trainer, Athletik-Trainer und so weiter. Lohnmässig sind wir in der Schweiz jedoch noch weit davon entfernt, dass vom Frauenfussball gelebt werden kann."

Das monetäre ist die eine Sache. Gab es davon abgesehen Momente in Ihrer Karriere, in denen Sie deutlich gespürt haben, dass der Frauenfussball gegenüber dem Männerfussball benachteiligt wird?

"Ja, eigentlich schon mein ganzes Leben lang. Als Kind hatte ich Mühe, einen Verein zu finden. Ich spielte immer mit Jungs, bis ich später zum FC Zürich kam. Unterstützung genoss ich dabei nie wirklich. Klar, die Sportschulen kamen zu dieser Zeit langsam auf. Aber später fehlte das Verständnis seitens Arbeitgeber. Das ist auch heute noch oft so. Also ja, ich habe in vielen Situationen gespürt, dass der Frauenfussball nicht den gleichen Stellenwert hat wie der Männerfussball."

Wie sind Sie damit umgegangen und hat sich in dem Umgang etwas verändert in all den Jahren?

"Als ich noch jünger war, frustrierten mich solche Sachen immer sehr, machten mich manchmal gar hässig, weil ich selber nichts ändern konnte. Es war jeweils ein Schlag ins Gesicht, wenn ich wieder für irgendwelche einfachen Sachen mega kämpfen musste. Heute ist mein Umgang damit anders, versuche ich, meine Energie bewusster einzusetzen. Ich muss mir meine Kämpfe aussuchen - irgendwann magst du nicht mehr kämpfen."

Ein Kampf, den Sie sich ausgesucht haben, ist jener mit Pierre-Henri Deballon, dem Präsidenten ihres Arbeitgebers in Dijon. Sie werfen ihm vor, die Frauenfussballabteilung im Klub nicht ernst zu nehmen. Dagegen kämpfen Sie und Ihre Teamkolleginnen an. Vergangene Woche in Magglingen sagten Sie: "Mal schauen, wer den längeren Atem von uns beiden hat."

"Im Moment verändert sich viel. Unser Präsident hat eine Agentur angestellt, die einen guten Investor sucht. Was mich überrascht, aber auch erfreut hat, war, dass er nicht irgendjemanden sucht, der einfach Geld reinbuttert und nach zwei Jahren wieder weg ist, sondern jemanden, der die Werte des Frauenfussballs unterstützt, nachhaltig und lange investieren möchte. Es tönt nach einem sehr spannenden Projekt. Ich habe noch ein Jahr Vertrag in Dijon. Mal schauen, wie sich das Ganze entwickelt."

Also hat sich der Kampf gelohnt.

"Vielen Männern ist ihr Image wichtig. Wird dieses angekratzt, kommt Bewegung ins Spiel."

Zurück zum Allgemeinen: Was müsste sich konkret ändern, dass junge Spielerinnen heute bessere Bedingungen vorfinden, als Sie es getan haben?

"Es muss nachhaltiger in den Frauenfussball investiert werden. Es muss die gleichen Strukturen geben wie im Männerfussball, also gleich viele Teams, gleich viele Trainer. Es soll auch zwei Sportchefs geben, je einen für beide Abteilungen. Die Unterstützung durch die Sportmarken müsste besser werden. Während die Männer Schuhe gratis erhalten, müssen Frauen oft selbst dafür aufkommen. Auch während der Ausbildung müssten Frauen stärker unterstützt werden - also eigentlich im ganzen Verlauf einer Karriere."

Auf was sind Sie besonders stolz? Vielleicht auch auf Dinge, mit denen Sie die Entwicklung im Frauenfussball vorangetrieben haben?

"Ich bin mega stolz drauf, dass ich nach meinen Kreuzbandrissen wieder zurück auf den Platz gekommen bin und so nochmals eine Inspiration sein konnte für andere. Das Schönste, was ich selbst erlebt habe, war der Cup-Final gegen GC damals mit dem FC Zürich, als die Südkurve auch im Stadion war und wir merkten, dass sich etwas tut, dass immer mehr Leute kommen, dass sich immer mehr Leute für uns interessieren. Was ich ebenfalls mega schön finde: Wenn wir heute öffentliche Trainings haben, sind da nicht nur Mädchen, die Fan von uns sind, sondern auch viele Buben. Da merken wir, dass Kinder keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen machen."

Was würden Sie der jungen Meriame für einen Ratschlag mit auf den Weg geben?

"Such dir früher aus, welche Kämpfe du kämpfen willst, welche sich lohnen. Weil du sonst nur unnötig Energie verlierst, die du besser in den eigenen Körper und die eigene Gesundheit stecken solltest."

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