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Tormaschine, aber anfällig bei Standards: Was uns die Zahlen über dieses Bayern-Team verraten

Hadrien

Mit der Niederlage bei Arsenal – der ersten der Saison – hat der FC Bayern München zum ersten Mal Federn gelassen. Bis dahin hatte er Europa nach Belieben dominiert. Wie sieht dieser Saisonstart nach zwanzig Pflichtspielen wirklich aus? Wird er dem angekündigten Monster gerecht? Ein Erklärungsversuch mit Hilfe der Advanced Stats.

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© Imago

Kompanys Bayern: weniger Ballbesitz, gleiche Dominanz

In München: Wer ist von Vincent Kompany nicht angetan? Die Kabine, die als eher „hartes Pflaster“ gilt, spart nicht mit Lob. Die Verantwortlichen schwärmen von seiner ruhigen Autorität und der Souveränität vor dem Mikrofon, die alten Bayern-Hasen von seiner Anpassungsfähigkeit. Und Anpassung war für „Vinnie“ auch nötig. Als der belgische Coach in Burnley und Anderlecht international auf sich aufmerksam machte, tat er das klar als Guardiola-Schüler: streng in Zonen aufgeteilt, einstudierte Laufwege, saubere und kontrollierte Spieleröffnungen.

Viele erwarteten deshalb, dass er bei seiner Ankunft im Bayern-Industrie-Kessel im Sommer 2024 genau das weiterzieht. Ist aber nicht passiert. Als kluger Pragmatiker hat er seine Ideale erst einmal beiseitegelegt und den Spielern wieder mehr Macht gegeben. Das Ergebnis: dynamische Raumaufteilung, extreme Mobilität, fast totale Freiheit – auch auf die Gefahr hin, mal den Ball abzugeben. Zum ersten Mal seit 2022 liegt ein Bayern-Team im Schnitt unter 65 % Ballbesitz. Letzte Saison stand der Rekordmeister zu diesem Zeitpunkt bei rund 70 %.

Dominant bleibt Kompanys Mannschaft trotzdem. Wie jedes Team, das Spiele diktiert, lebt sie in der gegnerischen Hälfte – sogar im letzten Drittel. In Deutschland spielt kein Klub mehr Pässe in dieser Zone. Europaweit liegen nur Barça, Real Madrid und Paris Saint-Germain vor den Bayern.
 

Ein vertikaleres Bayern? Zahlen nach 20 Pflichtspielen in allen Wettbewerben

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Weniger Ballbesitz, etwas weniger Spiel im letzten Drittel und mehr lange Bälle: Diese Bayern-Version ist insgesamt wohl direkter als die des Vorjahres.

Michael Olise als X-Faktor im Progressionsspiel

Ein aus dem US-Sport übernommenes Modell: Progressive Aktionen sind Pässe, Annahmen und Läufe, die den Ball messbar Richtung gegnerisches Tor voranbringen. Sie bewerten Schlüsseltransfers, Dribblings mit Raumgewinn, Dynamik in Bewegungen und die Qualität des Freilaufens. Fasst man diese Daten zusammen, bekommt man den X-Faktor einer Mannschaft: den Spieler, der Wege zum Tor öffnet. Und hier vereint Michael Olise (fast) alles. In Läufen und progressiven Ballannahmen sticht er klar über seine Mitspieler hinaus.

Im Passspiel gibt Joshua Kimmich den Takt vor. Vergangene Saison schraubte er seine Zahl an angekommenen Pässen auf ein neues Level (3.269) und übertraf seinen bisherigen Bestwert (2.583) deutlich. Unter Kompany ist der bayerische Regisseur wieder zentral gesetzt – als einziger Feldspieler steht er in dieser Saison im Schnitt mindestens 83 Minuten pro Partie auf dem Platz.

Unter den (Halb-)Überraschungen: Lennart Karl liefert trotz geringer Einsatzzeit vielversprechende Werte. Konrad Laimer, der zwischen Rechts- und Linksverteidiger pendelt, arbeitet mit einer Aktivität, die eher an einen Offensivspieler erinnert.

 

Die progressiven Aktionen des FC Bayern. Zahlen nach 20 Pflichtspielen in allen Wettbewerben

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Zonen, Verteilung, Minuten: Wie Bayern trifft

In München wird mit Toren nicht gespielt. Ob unter einem „Laptop-Trainer“ (Tuchel, Nagelsmann), einem Positionsspiel-Puristen (Guardiola) oder hybrideren Ansätzen (Flick, Heynckes): Bayern hat das Tor immer zum Massstab gemacht. Seit 2010 stellen die Münchner die beste Offensive der fünf grossen Ligen. 1.404 Bundesliga-Treffer insgesamt, im Schnitt Saisons mit 88 Toren.

Doch kein Bayern-Team startete je auf diesem Niveau. 68 Tore – 3,4 pro 90 Minuten: Das ist ein Orkan für gegnerische Abwehrreihen. Sinnbild dieser Wucht ist Harry Kane. Der Engländer ist an 39,8 % aller Bayern-Treffer beteiligt. Seit seinem Wechsel 2023 war er in seiner Karriere nie so entscheidend. Letzte Saison lag nur Ousmane Dembélé bei Toren pro 90 Minuten vor ihm (1,32). Seit August hat Kane den Wert noch einmal auf 1,41 Treffer pro Spiel gehoben.

Als Neuner, Zehner und vieles gleichzeitig bestraft Kane nicht nur Fehler der Gegner. Er ist überall. Ausdruck der grossen Freiheit im Bayern-Spiel: Kane hatte mehr Ballkontakte im eigenen Strafraum als Kimmich – obwohl der eher defensiv verortet ist.

Für gegnerische Defensiven kommt die Gefahr ausserdem über zwei extrem dynamische Flügel: Michael Olise und Luis Díaz. Mit Kane waren das die drei meistgenutzten Spieler Kompanys, ehe Díaz in der Champions League gesperrt wurde. Olise ist der einzige europäische Flügelspieler, der so stark an den Teamtoren beteiligt ist. Und Díaz ist – hinter Kane – der zweitentscheidendste Bayern-Akteur.

 

Von wo aus hat Bayern seine Tore in dieser Saison erzielt? (ohne Elfmeter)

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Die Bayern erzielen ihre Treffer überwiegend aus dem Strafraum, oft in unmittelbarer Nähe des Fünfmeterraums.

Wann schiesst und wann kassiert Bayern seine Tore?

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Die klare Schwachstelle: Standards gegen sich

Historisch zählt der FC Bayern zu den defensiv stabilsten Teams Europas. Mit durchschnittlich 0,6 Gegentoren pro Partie über die letzten 15 Jahre gab es Phasen nahe der Perfektion. 2011/12 hatte Bayern nach zwanzig Spielen erst sieben Gegentreffer kassiert – ein Wert, den im 21. Jahrhundert kein anderes deutsches Team erreichte.

Auch diese Saison hätte in diese Richtung laufen können. Nach 16 Siegen standen nur 11 Gegentore zu Buche, also 0,7 pro 90 Minuten. Seit dem Auswärtsspiel in Paris hat sich die Kurve jedoch gedreht: Manuel Neuer musste achtmal hinter sich greifen – zwei Gegentore pro Spiel. Das ist, zusammen mit Liverpool, der schwächste Wert unter Europas Topteams.

Diese Zweiteilung lässt sich doppelt erklären. Erstens psychologisch: Nach der historischen Siegesserie liessen Kompanys Männer erstmals Punkte gegen Union Berlin und Arsenal liegen. Ein erwartbarer, vielleicht sogar notwendiger Dämpfer mitten im Herbst – bevor vermutlich ein neuer Lauf startet. Zweitens nüchtern-taktisch: Wenn Bayern fällt, dann fast immer auf die gleiche Art. Fünf Gegentore nach scharf getretenen Hereingaben in den Strafraum. Und acht Gegentore nach ruhenden Bällen.

 

Wie stabil ist Bayern wirklich? Zahlen nur aus der Bundesliga

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Zur Beruhigung können sich die Münchner an überzeugende Standard-Defensivauftritte erinnern – unter ganz unterschiedlichen Vorzeichen: leidensfähig und konzentriert gegen Paris, oder komplett stabil gegen Brügge und die Eintracht ohne nennenswerte Chancen zuzulassen. Kompany und sein Staff wissen ausserdem, dass Bayern in der Vorsaison eine der besten Defensivrunden der letzten acht Jahre spielte (siehe Grafik). Ein gutes Omen, bevor die entscheidende Phase der Saison beginnt.

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