Wie Chris Bedia bei den Young Boys wieder zur Tormaschine wurde
Chris Bedia steht in dieser Saison wettbewerbsübergreifend bereits bei sieben Toren für die Young Boys. Der Ivorer ist angekommen in Bern - und erhält nun in der Europa League erneut ein Schaufenster.
Der Regen prasselt unerbittlich auf das Národný futbalový štadión in Bratislava. Von Minute zu Minute wird das Terrain durch die Wassermassen auf dem Rasen schwieriger zu bespielen. Doch nach einer Viertelstunde hat Edimilson Fernandes einen Geistesblitz, spielt den Ball in die Tiefe. Alan Virginius und Chris Bedia sprinten beide los, und letzterer setzt seinen Körper so geschickt ein, dass ihn kein Verteidiger am erfolgreichen Abschluss hindern kann.
Dieses 1:0 gegen Slovan Bratislava Mitte August - es ist der zweitletzte Schritt der Young Boys zurück in die Europa League. Den letzten nehmen sie eine Woche später mit einem 3:2-Sieg im Rückspiel zuhause. Auch da trifft Bedia, diesmal zum 2:0. Das dritte Tor durch Armin Gigovic bereitet er vor.
"Diese Spiele gegen Bratislava haben mich gewissermassen auf den Weg gebracht", sagt Bedia. "Prendre le chemin des filets", nennt er es. "Und es fühlt sich gut an, auf diesem Weg zu sein", fügt er mit einem Lachen an. Bis zum Ausflug in die slowakische Hauptstadt hatte der 29-Jährige erst in der ersten Cup-Runde zweimal gegen die Amateure von Courtételle (4:1) getroffen, danach gelangen ihm gegen Lugano (3:1) und Luzern (2:1) drei Treffer, die massgeblich dazu beitrugen, dass die Young Boys in der Super League den Anschluss an die Spitze halten konnten.
Der Ivorer weiss, dass es das Los des Stürmers ist, auch mal Phasen durchzustehen, in denen es weniger gut läuft. Dass ein Schuss, der vor ein paar Wochen gefühlt noch mit verbundenen Augen den Weg ins Tor gefunden hat, plötzlich auch dann nicht im Netz landet, wenn das leere Gehäuse vor einem steht.
Und doch hat es ihn beschäftigt, als er seine erste derartige Phase im YB-Trikot erlebte. Schliesslich war er Anfang Februar als grosser Hoffnungsträger geholt worden. Als der Mann, der mit seinen Treffern eine komplizierte und lange unbefriedigende Saison der Berner noch zu einem versöhnlichen Ende bringen sollte. Dass er nach einem verheissungsvollen Start mit drei Treffern in seinen ersten beiden Einsätzen dann später für neun Partien in Serie ohne einen einzigen Skorerpunkt blieb, war in dieser Geschichte nicht vorgesehen. "Das gehört zum Fussball dazu", sagt Bedia. "Solche Dinge dürfen nicht in deinem Kopf sein. Abhaken und aufs nächste Spiel konzentrieren."
Dieser Pragmatismus kommt im Gespräch mit dem Offensivakteur immer wieder zum Vorschein. Beispielsweise dann, wenn er von seiner Anfangszeit in Bern erzählt, von den ersten Trainings unter Giorgio Contini, den Videoanalysen und den Momenten, in denen er wieder einmal realisieren musste, dass er nicht umgesetzt hatte, was der YB-Trainer von ihm gewollt hatte. Contini wisse sehr genau, wie die Mannschaft spielen soll, sagt Bedia. Und seine Aufgabe sei es, Tore zu schiessen und auf die Anweisungen des Trainers zu hören. Bedia lacht. "Er sitzt mir immer im Nacken und korrigiert sofort, wenn ihm etwas nicht gefällt. Ich kann viel lernen und Fortschritte machen."
Der Stürmer erzählt, dass er auch deshalb Eingewöhnungszeit gebraucht habe, weil er vor seinem Wechsel nach Bern nicht oft im von Contini bevorzugten 4-4-2-System gespielt und sich die Laufwege entsprechend erst habe einprägen müssen. Auch dank der gemeinsamen Vorbereitung auf die laufende Saison funktioniere es nun aber deutlich besser, und er wisse genau, was seine Teamkollegen machten. "Diese Automatismen machen es zwar nicht einfacher, Tore zu erzielen, aber man kreiert mehr Chancen."
Eigentlich hätten wohl alle Personen im YB-Umfeld liebend gerne darauf verzichtet, dass die Mannschaft ein Beleg für den Wahrheitsgehalt dieser Aussage liefert, aber der Auftritt auf dem Brügglifeld verkam am letzten Samstag genau dazu, als die Young Boys gegen Aarau keinen Treffer erzielen konnten und ihre Ambitionen im Cup nach der 0:1-Niederlage bereits nach der zweiten Runde begraben mussten.
"Wir sind nicht mit der gleichen Energie in die Partie gegangen wie in den Spielen zuvor", sagt Bedia, dem es gegen den tiefstehenden Leader der Challenge League ebenso wenig gelang, offensiv in Erscheinung zu treten. Aber eben: Gedanken an Vergangenes zu verschwenden, liegt nicht im Naturell des Ivorers, der als Kind dem Togolesen Emmanuel Adebayor nacheiferte und damals nie zu träumen gewagt hätte, körperlich einmal ähnlich gross und kräftig zu sein wie der frühere Starstürmer von Manchester City.
Diese Denkweise gilt für verkorkste Cuppartien ebenso wie für nicht nach Wunsch verlaufene Auslandabenteuer: Im Januar 2024 wechselte Bedia mit der Referenz von 31 Toren in 68 Partien von Servette zu Union Berlin. Die Bundesliga war immer ein Ziel von Bedia, weil ihm der offensive, schnelle Spielstil zusagt. Und als ihm Nenad Bjelica, der damalige Trainer der Berliner, signalisierte, ihn unbedingt in der Mannschaft haben zu wollen, zögerte Bedia keine Sekunde und zog in die deutsche Hauptstadt.
Doch nach lediglich sieben Teileinsätzen musste er feststellen, dass nicht alles, was gut tönt, dann auch wirklich gut ist. "Wenn die Verantwortlichen nicht auf dich setzen, musst du das akzeptieren", sagt Bedia, der dann auch in einem Leihgeschäft beim englischen Zweitligisten Hull City nicht glücklich wurde. "Ich bereue nichts. Ich wollte diese Chance, in der Bundesliga zu spielen, unbedingt nutzen. Und ich weiss, dass ich auf diesem Niveau bestehen kann.”
Nun bei den Young Boys soll Bedia die Chance haben, seine Qualitäten wieder regelmässig zu zeigen. Bis im Sommer 2026 ist Bedia von Union ausgeliehen, danach besitzen die Berner eine Option, den Stürmer definitiv zu übernehmen. Der Ivorer sagt, er denke jetzt nicht daran, was in Zukunft sein könnte, sondern wolle einfach immer das Maximum geben. Aber natürlich weiss auch er, dass ihm YB ein Schaufenster bieten kann, das ihm eine weitere Bewährungschance in einer Top-5-Liga in Europa eröffnen könnte.
Gerade dann, wenn er in der Ligaphase der Europa League, wo die Young Boys am Donnerstag (21.00) zum Auftakt zuhause Panathinaikos Athen empfangen, weiter so treffsicher ist wie damals im strömenden Regen von Bratislava.