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Wie Géraldine Reuteler an dieser EM alle überragt

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Géraldine Reuteler ist die herausragende Akteurin im Schweizer Team bisher an dieser EM. In jeder Partie durfte die Nidwaldnerin die Auszeichnung als beste Spielerin entgegennehmen.

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Die Fans loben Géraldine Reuteler © KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Ganz kurz muss sie ihre Emotionen noch einmal im Zaum halten, Géraldine Reuteler. Vorher hat sie Jubelschreie losgelassen und ist jeder Teamkollegin um den Hals gefallen, die ihr auf dem Rasen begegnet ist.

Es ist später Donnerstagabend, als sich die Emotionen im weiten Rund des Genfer Stadions auf einen Schlag entladen. Auf den Rängen liegen sich die Menschen in den Armen, auf dem Rasen hüpfen die Schweizer Spielerinnen. Eine rot-weisse Menschentraube bildet sich um Riola Xhemaili, die Heldin des Abends, die mit ihrem Treffer gegen Finnland in der 92. Minute dafür gesorgt hat, dass das Abenteuer Heim-EM für das Schweizer Nationalteam weitergeht.

Auch Géraldine Reuteler herzt ihre Teamkollegin, der es gelungen ist, den eigentlich missglückten Schuss Reutelers wie eine perfekte Vorlage aussehen zu lassen. Aber eben, für einen kurzen Moment muss die 26-Jährige vom Jubelmodus zurück in die professionelle, zurückhaltende Freude.

Reuteler platziert sich vor einer Sponsorenwand und nimmt einen blauen Pokal entgegen, den zuoberst ein kleiner, goldener Ball ziert. Reuteler hält ihn mit beiden Händen fest und lächelt in die Kamera. Routiniert sieht es aus. Und tatsächlich hat die Nidwaldnerin ja eine gewisse Routine entwickelt, wenn es darum geht, die Auszeichnung als beste Spielerin einer Partie entgegenzunehmen.

Nach allen drei EM-Partien der Schweiz hallt nach Schlusspfiff Reutelers Name durch die Soundanlagen der Stadien. Also selbst nach der Auftaktniederlage gegen Norwegen (1:2) schätzt die Jury die Leistung keiner Spielerin stärker ein als diejenige der Zentralschweizerin. Damals haftet dem Pokal die gewisse Note eines Trostpreises an, schliesslich hat Reuteler im Basler St. Jakob-Park in den Schlussminuten freistehend eine exzellente Ausgleichschance vergeben und den Ball über das Tor der Norwegerinnen befördert.

In der wegweisenden Partie gegen Island (2:0) ist es aber Reuteler, welche in der 76. Minute in die Tiefe läuft und kaltblütig das erlösende 1:0 erzielt. Und gegen die Finninnen ist sie wie immer eine stete Antreiberin, der offensichtlich auch Dinge gelingen, wenn sie denkt, dass sie misslingen.

Auch wenn derlei Awards immer eine gewisse Subjektivität beinhalten, sind sie doch ein Beleg dafür, wie stark die Nummer 6 der Schweiz an dieser Europameisterschaft bisher aufspielt – und wie gross ihr Anteil daran ist, dass die SFV-Auswahl am Freitag gegen Spanien zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen EM-Viertelfinal wird bestreiten dürfen.

Keine andere Spielerin dieses Turniers kann sich nach der Gruppenphase drei dieser von einem Kreditkartenunternehmen gesponserten Pokale in die heimische Vitrine stellen. Die Schwedin Johanna Rytting Kaneryd, die Französin Delphine Cascarino und die Spanierin Alexia Putellas wurden je zweimal geehrt. Dass mit Putellas eine zweimalige Weltfussballerin in dieser Aufzählung fungiert, ist ein weiteres Indiz dafür, auf welchem fussballerischen Niveau Reuteler angekommen ist.

Seit sieben Jahren spielt die Nidwaldnerin mittlerweile bei Eintracht Frankfurt in der deutschen Bundesliga. In der abgelaufenen Saison gehörte Reuteler mit zwölf Toren und sieben Vorlagen zu den offensivstärksten Spielerinnen der gesamten Liga, sodass längst darüber diskutiert wird, wohin der nächste Karriereschritt führen könnte.

Als Smilla Vallotto nach dem Sieg gegen Island auf ihre Teamkollegin angesprochen wird, sagt sie: "Ich hoffe, dass ‘Geri’ in diesem Sommer ein Grossklub kauft." In Deutschland käme diesbezüglich wohl nur Bayern München infrage, ansonsten müsste Reuteler nach England, Frankreich oder Spanien umsiedeln.

So sehr die Nidwaldnerin auf Klubebene mittlerweile brilliert, so sehr steht sie im Nationalteam lange im Schatten anderer. Reuteler ist kein Sprachrohr wie Captain Lia Wälti, sie ist keine wuchtige Offensivakteurin wie Rekordspielerin Ana-Maria Crnogorcevic – und sie inszeniert sich in den sozialen Medien nicht so stark wie Alisha Lehmann. Sie ist unauffällig Weltklasse.

Nationaltrainerin Pia Sundhage sagt, Spielerinnen wie Reuteler seien für ein Team Gold wert. Nicht nur aufgrund der herausragenden fussballerischen Qualitäten, sondern vor allem auch wegen der grossen Flexibilität. Während Reuteler im Klub vorwiegend als Stürmerin eingesetzt wird, läuft sie für die Schweiz meist im Mittelfeld auf. Oder sie startet wie gegen Norwegen im Sturm und rückt dann im Lauf der Partie eine Reihe nach hinten.

Sundhage sagt, sie habe mit Reuteler schon oft über ihre Position gesprochen, aber die Spielerin ziehe nicht die eine oder andere vor, sie sage eher: ‘Ich spiele einfach’. "Und das ist die beste Antwort, die sich eine Trainerin wünschen kann." Dieses Pflegeleichte äussert sich auch darin, dass die 26-Jährige aktuell schon das vierte grosse Turnier mit der Schweiz bestreitet. Und sowohl bei Martina Voss-Tecklenburg (2017) als auch Nils Nielsen (2022) und Inka Grings (2023) gehörte Reuteler wie jetzt unter Sundhage zum Gerüst dieses Nationalteams.

Lia Wälti kennt Reuteler schon lange. Entsprechend erstaunt es die 32-Jährige auch nicht, wie sich ihre Teamkollegin entwickelt hat. "Für mich war von Anfang an klar, dass ‘Geri’ eine grosse Karriere machen wird", sagt Wälti. Weil Reuteler hervorragendes Spielverständnis habe, torgefährlich sei und auch defensiv gut arbeite. "Sie ist eine komplette Spielerin und eine der wichtigsten in unserem Team."

Aus dem kleinen Mädchen, das im heimischen Garten mit ihren vier Brüdern Fussball spielte, mit sieben Jahren dem FC Stans beitrat und schon mit 15 beim FC Luzern in der höchsten Schweizer Liga debütierte, ist eine der besten Schweizer Fussballerinnen überhaupt geworden, die sich auch von einem Kreuzbandriss im März 2021 nicht von ihrem Weg abbringen liess. 80-mal ist Reuteler, die von ihrer Mutter ursprünglich in den Ballettunterricht geschickt wurde, mittlerweile für die Schweiz aufgelaufen.

Die Nidwaldnerin ist keine Frau der grossen Worte. Sie ist ein bodenständiger Familienmensch, der die engsten Verwandten und Freunde in Form von über 20 Tattoos auf dem Körper verewigt hat. Die Aufmerksamkeit sucht sie nicht.

Insofern ist es ihr nicht uneingeschränkt wohl, wenn sie mit diesem blauen Pokal auf einem Podium sitzt und in eine Vielzahl Mikrofone und Kameras erzählen muss, wie es ihr wieder gelungen ist, eine herausragende Leistung auf den Rasen zu bringen. "Ich gebe einfach mein Bestes", sagt sie dann beispielsweise. "Und wenn es dem Team hilft und wir gewinnen, bin ich glücklich."

Sollte Géraldine Reuteler am späten Freitagabend in Bern ihre vierte "Best Player"-Auszeichnung entgegennehmen können, stehen die Chancen gut, dass sie die Emotionen wieder ganz kurz zügeln muss. Und sie die Schweiz sensationell in den EM-Halbfinal geführt hat.

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