"Wir brauchen keinen Plan B, es wird in Mailand gespielt"
Es wird viel über die Eishockey-Arenen an den kommenden Olympischen Spielen in Mailand geschrieben. Wie sieht es diesbezüglich aus?
Der französische IIHF-Präsident Luc Tardif hat mit der Nachrichtenagenter Keystone-SDA exklusiv darüber gesprochen - ebenso über die Weltmeisterschaften 2026 in der Schweiz, warum eine jährliche WM Sinn macht, den World Cup of Hockey, das Frauen-Eishockey und den aktuellen Stand bezüglich Russland und Belarus.
Luc Tardif, Sie waren gerade erst in Mailand. Wie ist dort der Stand der Dinge?
"Wir waren dort für drei Tage. Grund war der erste Testevent für die kleinere Halle. Wir organisierten eine Junioren-WM (U20, Division I, Gruppe B, die ursprünglich in der Hauptarena hätte stattfinden sollen). Es war gut zu sehen, wie es bezüglich dieses Spielorts aussieht. Wir haben alles getestet. Auch die Organisation hat gut funktioniert. Es ist eine kleinere Halle mit 4100 Plätzen, aber sie ist sehr schön und wird eine gute Atmosphäre bieten. Dort haben wir keinerlei Bedenken. Ausserdem sahen wir auch die Hauptarena, wir haben also brandneue Informationen darüber, wie der Stand der Dinge ist. Am 9., 10. und 11. Januar sollen dort als Test je drei Spiele durchgeführt werden - zwei davon mit Zuschauern. Dann sollte das gesamte Eishockey-Setup bereit sein. Danach wird es zwar noch Arbeiten an den Tribünen und im Hospitality-Bereich geben, aber insgesamt bin ich nun deutlich zuversichtlicher. Wir werden rechtzeitig fertig."
Wie ist das für Sie persönlich, mit dieser Ungewissheit umgehen zu müssen?
"Bei unseren Weltmeisterschaften bin ich definitiv entspannter, weil das organisatorisch einfacher ist. An Olympischen Spielen ist es komplizierter, da neben der IIHF auch das Organisationskomitee, die nationalen Eishockey-Verbände und das IOC involviert sind. Wir sind zwar der Organisator des Turniers, haben aber keinen Einfluss auf den Bau. Deshalb waren wir etwas besorgt, umso mehr, da seit 2014 keine NHL-Spieler mehr an Olympischen Spielen teilgenommen haben. Wenn man es geschafft hat, die NHL von einem Kommen zu überzeugen, will man ihnen auch die bestmöglichen Arenen bieten."
Dann kommen die NHL-Spieler? Es war ja zu lesen, dass dies angesichts der Probleme nicht sicher sei.
"Es gab viele Diskussionen über die Grösse des Eisfelds. Aber da hatten wir nie ein Problem mit der NHL, weil wir dieselbe Grösse wie in Peking gewählt haben. Für Peking zogen sie sich im letzten Moment zurück. Wir reden hier über 90 Zentimeter weniger (in der Länge). Wir haben die blauen Linien verschoben, um die Torzonen zu vergrössern, und dies in Stockholm getestet (im November fanden zwei NHL-Partien statt). Dort wurde auf der gleichen Grösse gespielt. Das Problem ist die Eisqualität. Deshalb übten wir viel Druck auf die Baufirma aus. Jetzt verstehen sie die Wichtigkeit. Zudem haben wir viele Experten eingebunden, deshalb waren die NHL und wir zufrieden mit der Eisqualität in der kleineren Eishalle. Der nächste Schritt ist der Trainingsbereich. Danach kommt die entscheidende Phase: Es wird überall noch gebaut, und wir beginnen in der Hauptarena mit dem Eis. Ganz wichtig ist, dass es keinen Staub mehr gibt, das haben wir den Beteiligten klar gemacht. Wir brauchen jedoch keinen Plan B, es wird in Mailand gespielt."
Wie wichtig ist es, dass die NHL zurück ist?
"Die Verhandlungen dauerten zwei Jahre. Das Schwierigste war die Versicherung für all diese Spieler - das kostet sehr viel Geld. Bei jedem Treffen sassen unzählige Anwälte am Tisch. Jedoch wollten von Anfang an alle eine Lösung finden, das machte das Ganze einfacher. Nun ist es wichtig, dass Mailand ein Erfolg wird, denn wir führen bereits Gespräche über 2030 in Frankreich. Danach finden die Olympischen Spiele in Salt Lake City statt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dort ohne die NHL gespielt wird. Wir haben eine Grundsatzvereinbarung für mehrere Olympische Spiele, aber alle schauen nun auf Mailand. Wir wollen das Momentum behalten."
Wer zahlt für die Versicherung der Spieler?
"Zum ersten Mal teilen wir die Kosten: IOC, IIHF sowie die nationalen Olympischen Komitees und Verbände. Deshalb war eine Rückkehr überhaupt möglich. Aber jedes Mal steigt der Salary Cap - das sind enorme Summen."
Die nächste WM findet in der Schweiz statt - in Zürich und Freiburg. Sie dürfte Ihnen keine Sorgen bereiten?
"Es ist speziell, da wir die WM sozusagen zu Hause organisieren, da sich unser Büro in Zürich befindet. Das Organisationskomitee wurde früh zusammengestellt. Zudem arbeitete Christian (Hofstetter, der Generalsekretär der WM) einst für die IIHF. Und dass die Schweiz ein Eishockeyland ist, darüber besteht kein Zweifel. Zudem garantiert der Erfolg des Nationalteams an den letzten beiden Weltmeisterschaften eine gute Atmosphäre. Die Arenen sind gemacht für einen solchen Grossevent. Wir sind fast bereit. Ich wünschte, ich könnte so zuversichtlich bei den Olympischen Spielen in Mailand sein. Überhaupt läuft die WM seit der Corona-Pandemie sehr gut. Die Leute kaufen Tickets, ohne zu wissen, wer spielt. Der Mai ist der beste Zeitpunkt für uns. Es ist normalerweise sonnig und mittlerweile eine Art Tradition, dass sich die Fans für einen schönen Abschluss der Saison treffen. Deshalb ist auch die Fanzone wichtig."
Im Fussball findet eine WM alle vier Jahr statt, im Eishockey jedes Jahr. Mindert das nicht den Wert?
"Zuerst einmal haben wir einen Marketingvertrag bis 2033 mit einer jährlich stattfindenden WM. Es ist ein guter Vertrag, der es uns finanziell ermöglicht, alle unsere Entwicklungsaktivitäten durchzuführen. Ich spreche von nichtprofitablen Veranstaltungen - etwa Turnieren der Frauen, der U18- und U20-Junioren, in den unteren Divisionen sowie von Programmen für Schiedsrichter. Wir sind eine gemeinnützige Organisation, haben keine Stakeholder, die wir zufriedenstellen müssen. Die Einnahmen aus den Weltmeisterschaften fliessen in unsere Entwicklungsarbeit. Nun möchte die NHL alle zwei Jahre einen World Cup veranstalten. Daher ist es wichtig, unsere WM zu schützen. Denn wenn es für die IIHF finanziell nicht mehr möglich ist, alle diese Junioren-Turniere durchzuführen - wer tut es dann? Wir organisieren jedes Jahr 34 Weltmeisterschaften, das ist viel Arbeit, wobei die A-WM fast 70 Prozent unseres Einkommens ausmacht. Sie ist also sehr wichtig, um das hohe Niveau zu halten. Das sollen die Leute verstehen."
Sie haben den World Cup angesprochen. Bereitet Ihnen dieser Sorgen? Es könnte ja sein, dass dieser einen negativen Einfluss auf die Teilnahme von NHL-Spielern an Weltmeisterschaften hat.
"Wir befinden uns in Gesprächen mit der NHL über einen gemeinsamen Ansatz, insbesondere angesichts unseres Verständnisses des europäischen Marktes. Zudem ist die NHL Partner unserer Weltmeisterschaften, sodass es sinnvoll ist, sich gegenseitig zu unterstützen. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt. Gut ist aber auch, dass sie sich mit der Zeit daran gewöhnen, ihren Spielbetrieb im Februar zu unterbrechen. So wird es einfacher, sie davon zu überzeugen, zu den Olympischen Spielen zu kommen."
Wie sehen Sie die Entwicklung des Frauen-Eishockeys?
"Im nächsten Jahr starten wir einen europäischen Wettbewerb für Frauen, weil wir die WM auf November vorgezogen haben, damit auch die Spielerinnen der Profiliga in Nordamerika (PWHL) teilnehmen können. Mit der PWHL gibt es nun für junge Spielerinnen ein Ziel. Zudem bestehen mehr halbprofessionelle Strukturen, ähnlich wie beim EV Zug - in Deutschland, Schweden und in Finnland. Das bedeutet, dass sich nun mehr Engagement im Frauen-Eishockey zeigt. Vor zehn Jahren war das noch völlig anders."
Zum Schluss: Wie sieht es bezüglich einer Rückkehr von Russland und Belarus aus? Einzelsportlerinnen und -sportler aus diesen Ländern dürfen ja an den kommenden Olympischen Spielen unter neutraler Flagge starten, wenn sie die Auflagen erfüllen.
"Ich war beim jüngsten olympischen Gipfel: Das IOC hat beschlossen, an der Empfehlung, die A-Mannschaften weiter auszuschliessen, nichts zu ändern. Eine Rückkehr zu Wettbewerben im Jugendbereich wurde jedoch empfohlen. Unser Rat wird sich Ende Januar treffen, um über die nächsten Schritte hinsichtlich der Teilnahme Russlands und von Belarus zu beraten und einen Entscheid zu fällen. Sollte beschlossen werden, den Empfehlungen zu folgen, werden wir besprechen, wie wir Russland und Belarus auf U18-Ebene wieder integrieren können. Aber das geschieht nicht sofort, denn wir haben ein System mit Auf- und Abstieg. Das gilt es zu berücksichtigen. Die Diskussion wird also sein: Wann ist der richtige Zeitpunkt, sie zu integrieren? Wir werden glücklich sein, wenn wieder alle dabei sind. Doch wenn wir sie zu früh integrieren, könnte das zu Problemen führen."