«Swiss Lads» im Hoch: Louis-Dreyfus, Xhaka und Sunderland erobern die EPL
Im Winter 2018/2019 erlebte ein weltweites Millionenpublikum ein echtes sportliches Drama: Der AFC Sunderland, traditionsreicher Fussballklub aus dem englischen Nordosten und Stolz einer ganzen Stadt, stieg nach der Relegation aus der Premier League im Vorjahr zum zweiten Mal in Folge ab – und Netflix hielt im Rahmen der preisgekrönten Doku «Sunderland ‘Til I Die» hautnah die Linse drauf. Sieben Jahre später stehen die «Black Cats» nach dem 2:1 bei Chelsea auf Rang 4 der Premier League und schreiben gerade eine ganz andere Geschichte. Mit zwei Schweizer Protagonisten, die beim mutigen Aufsteiger eine entscheidende Rolle spielen.
Der Besitzer aus Zürich: Kyril Louis-Dreyfus
So muss sich ein Fussballtraum wohl anfühlen, wenn man ihn lebt. Mit noch nicht einmal 28 Jahren ist Kyril Louis-Dreyfus Hauptaktionär des AFC Sunderland, des sprichwörtlichen Aufsteigers der aktuellen Premier-League-Saison. Doch der noch immer beim FC Seefeld kickende Sohn des verstorbenen ex-Marseille-Besitzers und ex-Adidas-CEO Robert Louis-Dreyfus kennt nicht nur Momente wie den Last-Minute-Erfolg vom vergangenen Samstag bei Chelsea, sondern auch die Kehrseite der Medaille, weit weg vom Rampenlicht der populärsten Fussball-Liga der Welt. Denn als Louis-Dreyfus im Februar 2021 gemeinsam mit Business-Partner Juan Sartori (44) beim tief gefallenen sechsfachen englischen Meister einstieg, befand der sich gerade wieder einmal in Schwierigkeiten. Rang 8 in der drittklassigen League One, mit bereits acht Punkten Rückstand auf die direkten Aufstiegsplätze. Die Rückkehr in die zweitklassige Championship war für den Klub, der in der ewigen Tabelle des englischen Fussballs noch zwei Jahre vorher an zehnter Stelle stand, auch im dritten Anlauf keine realistische Option mehr. Doch der französisch-schweizerische Doppelbürger und sein uruguayischer Partner brachten einen neuen Spirit, frisches Kapital und vor allem Verbindlichkeit rund um das Stadium of Light, dass sich auch zu Drittligazeiten regelmässig mit über 30'000 Fans füllte. Es war der erste, unabdingbare Schritt, um den traditionsreichen Klub und seine fussballverrückte Anhänger eines Tages wieder auf der PL-Landkarte präsentieren zu können. Nach einem ersten Aufstieg 2022, war es diesen Mai dank einem 2:1-Erfolg im entscheidenden Playoff-Spiel vs. Sheffield United wieder soweit.
Der Captain aus Basel: Granit Xhaka
Speziell im Raum Leverkusen, war sie ziemlich gross: Die Verwunderung, Enttäuschung, ja zum Teil sogar Wut darüber, dass sich «ihr» Captain und Anführer nur ein Jahr nach dem geschichtsträchtigen Double dazu entschied, seine Zelte im Rheinland vorzeitig abzubrechen. Und das nicht etwa für einen grossen, titelambitionierten Klub, sondern für das vergleichsweise kleine Sunderland, frischgebackener EPL-Aufsteiger und damit fast schon automatisch Abstiegskandidat. Abstiegskampf im englischen Nordosten anstatt Champions League in den europäischen Metropolen – wie in aller Welt konnte sich Xhaka so entscheiden? Nun, nebst mit Sicherheit vorhandenen finanziellen Vorteilen (Xhaka dürfte beim AFC rund doppelt so viel verdienen wie bei Bayer), bot Sunderland Xhaka vor allem eines: Eine gewaltige sportliche Challenge in einem speziellen Klub sowie die Gewissheit, rund um den Kapitän der Schweizer Nationalmannschaft eine Mannschaft aufzubauen, die der Herausforderung Premier League gewachsen sein würde. Das bestmögliche Setup, um im Alter von 33 Jahren noch einmal das Beste aus dem in den letzten Jahren gereiften Routinier herauszukitzeln. Und Xhaka liefert bislang in gewohnter Manier, geht voran, dirigiert und ist der Kopf einer Einheit, die nach neun Spieltagen in fast schon sensationeller Art und Weise auf Platz 4 rangiert. Oder ziemlich genau so, wie sich das Boss Louis-Dreyfus vorgestellt haben dürfte, als er Xhaka Mitte Juli und einen Tag vor dessen Abflug ins Bayer-Trainingslager zum ersten Mal kontaktierte.
Die Strategie: Jetzt investieren, mittelfristig ernten
Zuletzt wurde der Basler von unseren britischen Sky-Kollegen sogar «als bester Transfer der Saison» bezeichnet, ein Urteil, das aus Schweizer Perspektive absolut nachvollziehbar, aus objektiver Sicht jedoch möglicherweise nicht ganz so eindeutig zu fällen ist. Denn so gut Captain Xhaka im Verlauf der bisherigen Spielzeit performt - er ist bei Weitem nicht der einzige Neuzugang, der bei den «Black Cats» eingeschlagen hat. Die knapp 188 Mio. Euro, die Louis-Dreyfus & Co. im Sommer in Verstärkungen wie Goalie-Schnäppchen Robin Roefs (von NEC Nijmegen), die zentralen Mittelfeldkräfte Enzo La Fée (von AS Roma) und Noah Sadiki (Club Brugge) oder die Routiniers Nordi Mukiele (PSG) und Omar Alderete (Getafe) investiert haben, haben sich bislang definitiv gelohnt. Gemeinsam mit bewährten Kräften wie den beiden nordirischen Nationalspielern Trai Hume (seit 2021) und Dan Ballard (2024) sowie dem französischen Topskorer Wilson Isidor (seit 2024) bilden sie den Kern jener Mannschaft, die sich in den ersten beiden Saisonmonaten einen Vorsprung von zwölf Punkten und mehr auf die Abstiegsränge herausgespielt hat. Auf diesen standen zum Ende der vergangenen beiden Spielzeiten jeweils ausschliesslich Teams, die im Sommer zuvor noch den Aufstieg in die Premier League gefeiert hatten, ein Ausdruck der Diskrepanz zwischen den Klubs aus der englischen Beletage und ihren «Verfolgern» im Unterhaus, die alleine an TV-Geldern rund 60 Mio. Euro voneinander trennen. Eine Kluft, die Sunderland diesen Sommer dank finanzstarken Besitzern mehr als nur zu schliessen vermochte (nur acht EPL-Teams gaben mehr Geld für Transfers aus), in der Hoffnung, sich so in der Liga etablieren zu können. Ein Plan der auch dank der «Swiss Lads» Louis-Dreyfus und Xhaka bislang perfekt aufzugehen scheint.