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Ukraine-Minister Hutzajt: "Wichtig, dass unsere Flagge in Paris weht"

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Am 24. Februar 2023 jährt sich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Sky Sport News Moderator Andi Lengenfelder hat ausführlich mit Wadym Hutzajt - dem ukrainischen Minister für Jugend und Sport und Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees – gesprochen.

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Sky Sport News-Moderator Andi Lengenfelder hat ausführlich mit Wadym Hutzajt, dem ukrainischen Minister für Jugend und Sport und Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees, gesprochen. © Sky

Am 24. Februar 2023 jährt sich der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Sky Sport News Moderator Andi Lengenfelder hat ausführlich mit Wadym Hutzajt - dem ukrainischen Minister für Jugend und Sport und Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees – gesprochen.

Sky Sport News: Der Krieg in der Ukraine jährt sich zum ersten Mal, und ein Ende der Kämpfe, des Leids ist nicht in Sicht. Wie haben Sie den Ausbruch des Krieges vor einem Jahr erlebt?

Wadym Hutzajt: Das Jahr war ein sehr schweres Jahr für uns. Denn seit einem Jahr müssen wir um unsere Demokratie und Freiheit kämpfen.

Sky Sport News: Wie hat sich der Krieg auf den Sport in der Ukraine ausgewirkt?

Hutzajt: Es ist sehr schwierig. Viele Sportler waren im Ausland und an den Orten und in den Städten der Ukraine, wo der Krieg begann. Sie sind in andere Städte umgezogen. Wir haben das zusammen mit unseren Partnern, mit Ländern - die uns unterstützt haben - geschafft. Ich möchte all diesen Ländern danken! Den europäischen Ländern, den Vereinigten Staaten und allen anderen, die unseren Sportlern geholfen haben. Für uns war es wirklich schwer - schwer weiterzuarbeiten, weiter trainieren zu können. Für uns war es sehr wichtig, dass es mit dem ukrainischen Sport und für die ukrainischen Sportler weitergeht - damit unsere Athleten an Wettkämpfen teilnehmen und mit unserer Flagge auftreten können. Damit die ganze Welt sieht, dass es die Ukraine gab, gibt und geben wird.

Sky Sport News: Ist unter diesen Umständen Spitzensport in der Ukraine derzeit überhaupt noch möglich?

Hutzajt: Es ist schwer sich in der Ukraine auf Wettkämpfe vorzubereiten. Es gibt jeden Tag Luftalarm, jeden Tag fliegen Raketen. Unsere Städte werden bombardiert. Unsere Bürger werden getötet - unsere Frauen, unsere Kinder werden getötet. Sie sehen es ja - es findet ein Genozid an uns - den Ukrainern - statt. Unsere kritische Infrastruktur wird mit Raketen angegriffen - wir sind oft ohne Strom, ohne Wärme. Allerdings unternehmen wir alles dafür, dass sich unsere Sportler vorbereiten können, dass sie trainieren, sich für die olympischen Spiele qualifizieren. Und dort - solange der Krieg andauert - ohne Russen und Weissrussen teilnehmen können.

Sky Sport News: Viele Sportler sind Berufssoldaten. Einige von ihnen kämpfen auch im Krieg. Wer entscheidet, ob sie in den Krieg ziehen müssen oder nicht?

Hutzajt: Mehr als 3000 Sportler befinden sich in den Reihen unserer Streitkräfte. Sie verteidigen unser Land, unseren Boden. Ich möchte all den Menschen danken, die unser Vaterland verteidigen. Leider sind 344 unserer Sportler im Krieg gefallen - bei der Verteidigung unseres Vaterlandes. 35 befinden sich in Gefangenschaft. Manche Sportler sind einberufen worden - es gibt aber auch welche, die sich freiwillig gemeldet haben, um das Land zu verteidigen.

Sky Sport News: Was halten Sie von Sportlern im Exil, wie dem Schwimmer Michailo Romantschuk, der derzeit in Magdeburg trainiert, hier in Deutschland?

Hutzajt: Wir haben alles dafür getan, damit sich unsere Spitzensportler auf Olympia vorbereiten können. Dazu gehören auch Mykhailo Romantchuk und seine Frau Maryna Romamntschuk-Bekh und alle anderen Sportler, die bereits bei Europa- und Weltmeisterschaften erfolgreich waren, die olympische Medaillen gewonnen haben. Für diese Sportler haben wir alle Voraussetzungen geschaffen, damit sie sich auf die Olympischen Spiele vorbereiten können.

Ich möchte Deutschland dafür danken, dass sie uns seit dem ersten Tag des Krieges geholfen haben. Deutschland hat - praktisch in allen Sportarten - unsere Nationalmannschaften unterstützt. Es wurden Trainingsmöglichkeiten geschaffen, Unterkünfte organisiert - alles, damit sich unsere Sportler auf höchsten Level auf die Olympischen Spiele vorbereiten können.

Ich bin selbst Olympiasieger, habe damals auch in Deutschland trainiert . Als Trainer, als Funktionär und jetzt als Sportminister habe die Trainingsstätten dort oft besucht. Sie gehören zu den modernsten Trainingsstätten. Ich kann mich dafür einfach nur beim DOSB, beim deutschen Staat bedanken, dass wir - in so einer schwierigen Zeit - die Möglichkeiten bekommen dort zu trainieren. Und sie haben es ja gesehen: unsere Sportler haben an allen Europa- und Weltmeisterschaften teilgenommen.

Sky Sport News: Welche öffentlichen Aufgaben haben die Sportler, die im Ausland trainieren? Was erwarten Sie von ihnen?

Hutzajt: Für uns ist es sehr wichtig, dass unsere Sportler auch in Kriegszeiten an Wettkämpfen teilnehmen und auch die ukrainischen Farben vertreten. Sie sollen erzählen, was in unserem Land geschieht. Ich möchten ihnen allen dafür danken - unseren Sportlern, Trainern und Funktionären. Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen. Sie hissen unsere Flagge, berichten über den Krieg - darüber was in der Ukraine geschieht, wie auch unsere Sportler an der Front kämpfen.

Sky Sport News: Seit einem Jahr führt Russland einen brutalen Krieg gegen die Ukraine. Städte, Ortschaften und Dörfer wurden in Schutt und Asche gelegt. Tausende von Zivilisten sind getötet worden. Millionen Menschen wurden zur Flucht gezwungen. Trotz dieser Tatsachen sucht das IOC nach Möglichkeiten, russischen und weissrussischen Sportlern die Teilnahme an den Olympischen Spielen im nächsten Jahr in Paris zu ermöglichen. Was denken Sie darüber?

Hutzajt: Zunächst möchte ich dem IOC für die Unterstützung danken, für die Solidarität. Vom ersten Tag hat das IOC sich dafür ausgesprochen, dass russische und belarussissche Sportler nicht an internationalen Wettkämpfen teilnehmen dürfen. Alle Wettkämpfe, die für 2022 und 2023 in der russischen Föderation sowie in Weissrussland geplant waren, sind verschoben worden.

Das IOC hat einen Solidaritätsfond geschaffen. So konnten wir unsere Sportler unterstützen und ihnen die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen ermöglichen. Ich möchte Thomas Bach persönlich dafür danken, dass die Empfehlung - keine russischen und belarussischen Sportler zuzulassen - weiterhin gültig ist.

Was wir jetzt gehört haben - die Erklärung des ICO, welches eine Rückkehr der russischen und belarussischen Athleten in Betracht zieht - empört die ganze Ukraine. Sie empört uns alle - alle Sportler aller Föderationen, alle Trainer, mich als Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees. Für mich ist es unverständlich - solange der Genozid am ukrainischen Volk andauert - darüber zu sprechen. Solange unsere Sportler, Ukrainer getötet werden, Sportinfrastruktur zerstört wird, die wir viele Jahre aufgebaut haben. 343 Sportstätten sind zerstört worden - darunter neue und moderne für Kinder, für unsere Nationalmannschaften.

Und in diesen Zeiten hören wir dann, dass über die Frage nach einer Rückkehr der russischen und belarussischen Sportler gesprochen wird.

Deshalb ist es für uns unzulässig. Wir werden alles in unserer Kraft Stehende tun, damit das - bis zum Ende des Krieges - nicht passiert. Wir können es uns nicht vorstellen auf denselben Rennstrecken, Laufbahnen zu stehen, Wettkämpfe in denselben Sportstätten zu bestreiten - wo wir dann russische und belarussische Sportler treffen, neben ihnen stehen und einander die Hände schütteln?

Sky Sport News: Werden Sie die Olympischen Spiele boykottieren, wenn die russischen und belarussischen Sportler unter neutraler Flagge antreten dürfen?

Hutzajt: Das ist eine schwierige Frage - eine schwierige Frage für uns alle. Aber das Leben der Menschen, unserer Sportler, der Ukrainer welcher das Land verteidigen, ist viel mehr wert als die Zulassung (Genehmigung) für Teilnahme an den Olympischen Spiele. Das ist meine persönliche Meinung. Aber es bleibt eine schwierige Frage.

Und wenn wir alle Fragen - was eine Rückkehr der Russen und Weissrussen betrifft - nicht klären, dann werden die Fragen höchste Priorität auf der ausserordentlichen Versammlung des Olympischen Komitees haben - wo sich alle Präsidenten der einzelnen Verbände beraten werden. Wir werden dann eine politische Entscheidung treffen. Für uns ist es sehr wichtig, dass unsere Sportler bei den Olympischen Spielen dabei sind, dass unsere Flagge in Paris weht. Aber nicht zusammen mit russischen und belarussischen Athleten - solange der Krieg andauert. Wenn unsere gesamte Arbeit nicht fruchtet, dann wird diese Frage auf einer ausserordentlichen Versammlung besprochen - die Frage nach einem Boykott der Olympischen Spiele.

Sky Sport News: Was erwarten Sie von anderen Vereinen und Verbänden, wie dem Deutschen Olympischen Komitee oder deutschen Sportlern?

Hutzajt: Für uns ist die Unterstützung sehr wichtig. Die Unterstützung des Deutschen Nationalen Olympischen Komitees, des estnischen, lettischen, litauischen, finnischen, dänischen und vieler anderer Nationen. Sie unterstützen unsere Position bzgl. der Rückkehr russischer und belarussischer Athleten zu internationalen Wettkämpfen, zu den Olympischen Spielen. Dafür möchte ich mich bedanken. Für uns ist es wichtig, dass die Nationalen Olympischen Komitees ihre Meinung kundtun und sagen, dass eine Rückkehr - vor dem Hintergrund des andauernden Krieges - unzulässig - solange, bis der Krieg zu Ende ist. Bis der Krieg nicht endet, dürfen russische und belarussischen Athleten nicht an Wettkämpfen teilnehmen.

Sky Sport News: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: 1992 haben Sie gemeinsam mit Stanislav Pozdnyakov Olympisches Gold im Fechten gewonnen. Heute sind Sie Präsident des Olympischen Komitees der Ukraine und Stanislav Pozdnyakov ist Präsident des russischen Olympischen Komitees. Von Mannschaftskameraden zu entgegengesetzten Seiten des Krieges. Gibt es immer noch eine Art von Beziehung und wie hat sie sich in den letzten Jahren verändert?

Hutzajt: Als wir in einem Team waren, hatten wir eine sehr gute, eine freundschaftliche Beziehung zueinander. Wir haben uns gemeinsam vorbereitet, haben zusammen Olympisches Gold gewonnen. Das hat sich jetzt geändert . Nach der Besetzung der Krim, von Donezk, der Verwaltungsbezirke Donezk und Luhansk - nach Stanislav Pozniakovs Aussage, dass es für russische Sportler eine Ehre sei, an der sogenannten militärischen Spezialoperation teilzunehmen und das Land zu verteidigen. Ich will mit diesem Mann, mit diesem Menschen nichts mehr zu tun haben. Ein Mensch, der den Krieg gegen die Ukraine unterstützt, der das Töten von Ukrainern unterstützt - auch von ukrainischen Sportlern - das ist für mich überhaupt… Ich will mit diesem Menschen keinerlei Kommunikation. Wir haben jetzt gar keine Beziehung mehr zueinander.

Sky Sport News: Kann der Sport diese grosse Kluft zwischen Russland, Belarus und der Ukraine jemals wieder überbrücken?

Hutzajt: Das ist eine sehr schwierige Frage. Während des Krieges - des grossangelegten Angriffskrieges - in welchem wir um unsere Unabhängigkeit kämpfen, um das Leben der Ukrainer - unterstützen Menschen, russische Sportler diesen Krieg. Sie nehmen an allen Aktionen zur Unterstützung dieses Krieges teil. Sie tragen den Buchstaben "Z" und das ist auch eine Unterstützung des Krieges. Von welcher Freundschaft, von welchen Brücken kann hier noch die Rede sein? Es kann keine Freundschaft geben, wenn unsere Leute im Krieg getötet werden. Sie wollen uns unsere Unabhängigkeit nehmen. Heute kann von Freundschaft nicht mehr die Rede sein.

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