Wer wird der nächste Zeki?
Es ist ein beeindruckender Steigerungslauf: In der Saison 2013/14 spielte Stade-Lausanne-Ouchy noch in der 2. Liga interregional, nun folgt am 25. Juli mit dem Heimspiel gegen den FC Lugano die Premiere in der Super League – katapultiert sich da der nächste Spieler ins Rampenlicht?
Es ist ein wahrer Gipfelsturm, den die Lausanner hinter sich haben. Alimentiert durch Präsident Vartan Sirmakes, der sich im Februar 2019 beim Klub engagierte, als dessen Existenz bedroht war und die Löhne nicht mehr bezahlt wurden. Sirmakes, 1956 in Istanbul geboren, wuchs in der Türkei in einer armenisch-stämmigen Familie auf und flüchtete in den 1970er-Jahren wegen Anfeindungen gegen Armenier nach Genf. Dort machte er in der Uhrenindustrie Karriere und wurde als CEO und Mehrheitsaktionär der Edelmarke Franck Muller reich. Sein Vermögen wird von der «Bilanz» auf 700 bis 800 Millionen Franken geschätzt.
Talente statt grosser Namen
Sirmakes ist grosser Fussballfan, übernahm zwischendurch auch mal Stade Nyonnais, sorgt bei SLO für die nötigen Finanzen, ist aber kein Mäzen wie beispielsweise Christian Constantin bei jenem FC Sion, den die Waadtländer in der Barrage in die Challenge League verdammt haben. Teure Spieler mit ruhmreicher Vergangenheit, grossem Namen und viel Glamour wie beispielsweise der Walliser Fehlgriff Mario Balotelli gibt es bei Stade-Lausanne-Ouchy nicht. Stattdessen findet der armenisch-belgische Sportchef Hiraç Yagan auf dem Transferwühltisch immer wieder Talente, die sich später als wahre Schmuckstücke erweisen.
Das war bei Zeki Amdouni so, der von SLO via Lausanne-Sport nach Basel kam, dort richtig durchstartete, international Begehrlichkeiten weckte und dem FCB demnächst Millionen in die Kasse spülen wird. Aber auch bei Brighton Labeau, der mittlerweile für Lausanne-Sport stürmt und in der letzten Saison gemeinsam mit Teddy Okou, der nun zum FC Luzern weitergezogen ist, Torschützenkönig der Challenge League wurde. Die grosse Frage ist nun: Wer entpuppt sich als nächste Trouvaille à la Amdouni, Labeau oder Okou?
In der Challenge League war SLO mit 70 Treffern in 36 Spielen klar die torgefährlichste Mannschaft, eine schlagkräftige Offensive ist nun aber ebenso nötig wie eine stabile Defensive, um sich in der Super League halten zu können. Und das wird für das Team des französischen Trainers Anthony Braizat, der auf Offensivfussball setzt, definitiv nicht einfach. Zumal die Waadtländer nur auf geringen Support der Fans zählen können. In der Aufstiegssaison kamen durchschnittlich lediglich 1200 Fans in die Pontaise, einzig Bellinzona (1151) und Schaffhausen (1119) zählten noch weniger Zuschauer an ihren Heimspielen.
Finanziell kann dies der Klub dank Präsident Sirmakes verkraften. Aber auch sonst ist beim Aufsteiger vieles anders als bei der Konkurrenz. Und dies nicht nur, weil das Kader zumindest für Fussballfans ennet der Sprachgrenze eine Art Ansammlung von Unbekannten ist, die sich fernab des Rampenlichts entwickeln können. Oder wie Boss Sirmakes kürzlich im Blick sagte: «Wir können Spielern eine perfekte Bühne für den Durchbruch ohne fette Saläre bieten. Sie machen zwei Saisons hier – und danach gehört ihnen die Zukunft, wenn sie gut spielen.»
Es ist gleichzeitig auch so, dass bei SLO der sportliche Erfolg an der Spitze nicht die Hauptantriebsfeder ist, sondern auch an den Unterbau und die Breite gedacht wird. So definiert der Präsident das Ziel für die erste Super League-Saison folgendermassen: «Meine vorrangige Ambition ist es, die Zahl unserer Junioren dank des Aufstiegs auf 1000 zu bringen. Wir waren bei 850, und ich glaube, wir können diese Marke nun knacken. Was die erste Mannschaft anbelangt: Wir wollen uns irgendwo im mittleren bis unteren Mittelfeld klassieren, natürlich den Abstieg vermeidend.» Was schon ein Erfolg wäre.
Die Saisonprognose
Stade-Lausanne-Ouchy geht gemeinsam mit Yverdon-Sport mit dem tiefsten Budget in die Saison, dank der finanziellen Potenz des Präsidenten sind aber Korrekturen respektive Investitionen jederzeit möglich. Man darf gespannt sein, wie sich die Offensive nach dem Abgang von Teddy Okou zum FC Luzern präsentiert. Hoffnungen ruhen sicher auf dem Franzosen Charles Abi, der im vergangenen Winter von Saint-Étienne kam, aber nur gerade 15 Minuten spielte und danach verletzt ausfiel. Dass der 23-Jährige über Potenzial verfügt, ist unbestritten: In seiner Statistik stehen immerhin schon 43 Ligue-1-Spiele und drei Tore, sein höchster Marktwert lag bei drei Millionen Euro. In der Defensive ist Innenverteidiger und Captain Lavdrim Hajrulahu eine fixe Grösse, zudem darf man gespannt sein auf den 20-jährigen Franzosen Sahmkou Camara, der über das Gardemass von 1,93 m verfügt. Äusserst wichtig wird auch der Start in die Saison sein – und da hat Stade-Lausanne-Ouchy ein happiges Programm: Lugano, Luzern, Servette, Zürich, Young Boys, ehe mit GC, Winterthur und Yverdon drei vermeintlich leichtere Gegner folgen. Ganz klar, der Ligaerhalt wäre ein grosser Erfolg, doch den Waadtländern ist durchaus zuzutrauen, dass sie den einen oder anderen Klub hinter sich lassen und am Ende auf Rang 10 landen.