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Erfolg ohne Allüren und keine Limiten im Kopf

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Ditaji Kambundji ist Weltmeisterin in der Weltsportart Leichtathletik und seither eine der bekanntesten Sportlerinnen der Schweiz. Die Bernerin bleibt unkompliziert und weit weg von Starallüren.

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Ditaji Kambundji geniesst die Sonnenstrahlen in Bern und führt das Interview gleich auf der Tartanbahn © KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Die Sonne scheint in Bern. Es ist mild für diese Jahreszeit. Deshalb schlägt Ditaji Kambundji vor, das Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA im Freien durchzuführen. So findet das Gespräch auf der Tartanbahn auf der Leichtathletikanlage Wankdorf statt. Kurz zuvor hatte die 23-jährige Berner dort noch trainiert - gleichzeitig mit Hobbyläufern. Das passt zur Weltmeisterin über 100 m Hürden, die unkompliziert und weit weg von Starallüren ist.

Ditaji Kambundji, im September haben Sie in Tokio mit dem WM-Titel über 100 m Hürden nationale Leichtathletik-Geschichte geschrieben. Noch nie zuvor war eine Schweizerin Weltmeisterin in diesem Sport geworden. Hat sich dadurch für Sie etwas verändert?

"Ich sage immer Ja und Nein. Es ist für mich klar der grösste Moment in meiner Sportkarriere. Ich habe ein Ziel erreicht, kann nun ein Häkchen hinter etwas setzen, das für mich möglich war, aber zuerst einmal geschafft werden musste. Ich bin gespannt, wie es sein wird, wenn ich an die Wettkämpfe gehe, wahrscheinlich werde ich nun etwas weniger unterschätzt nächstes Jahr. Im Alltag geht man rasch wieder zurück in die Realität, ins normale Leben. Das Training ist immer noch streng und wird es auch bleiben."

Haben Sie nach Ihrem Triumph auch Reaktionen von internationalen Stars erhalten?

"Es gab viele Leute aus der Sportwelt, die bewegt waren. In der Mixed Zone sah ich Sally Pearson (die Olympiasiegerin von 2012 über 100 m Hürden), sie hat mich rasch umarmt - ich hatte sie zuvor noch nie gesehen. Das war schon speziell."

Sie werden nun wohl überall in der Schweiz erkannt, ist das manchmal mühsam?

"Hier sind die Leute sehr zurückhaltend. Zudem sind alle Interaktionen stets sehr positiv. Es kommen immer wieder Leute zu mir, die sagen, sie hätten selber weinen müssen. Dass ich fremde Menschen zu Tränen gerührt habe, mit etwas, das mir selber extrem viel bedeutet, ist etwas sehr Schönes. Deshalb schätze ich jede Interaktion und geniesse sie wirklich. Es ist aber überhaupt nicht so, dass sich mein Leben verändert hätte, wenn ich nach draussen gehe und mich viele Leute ansprechen."

Dennoch generieren Sie nun mehr Aufmerksamkeit. Fällt es Ihnen leicht, Nein zu sagen?

"Der Tag hat nach wie vor 24 Stunden, das Training wird immer das Wichtigste sein. Aber es gehört absolut zum Job, sich Zeit für wichtige Termine zu nehmen, und das mache ich. Klar kann man nicht immer alles machen, muss man selektiv sein. Diesbezüglich bin ich froh, dass mich mein Management unterstützt und vieles filtert. Denn wenn ich etwas mache, möchte ich es richtig machen."

Wenn Sie an den WM-Titel zurückdenken, ist dieser manchmal noch etwas surreal?

"Ich fand es spannend, dass mir das Reden darüber sehr geholfen hat, das Ganze zu verarbeiten. In Interviews kommt alles wieder nach vorne. Es ist aber keineswegs so, dass ich an einem Punkt bin, wo es immer noch surreal ist. Aber klar, es wird immer mega speziell sein. Ich stehe jedoch nicht jeden Tag auf und denke: 'Guten Morgen, Weltmeisterin.'"

Was wissen Sie noch von Ihrem Lauf?

"Nicht so viel. An die Hürden eins bis sieben erinnere ich mich gar nicht mehr. Bei den Hürden acht, neun und zehn habe ich gemerkt, dass es gut läuft. Ich hörte den Speaker im Stadion - was mir noch nie passiert ist - wie er rief: 'Kambundji ist vorne'. Dann dachte ich: 'Okay, noch bis zur Linie'. Nach dem Zieleinlauf habe ich wieder mehr Erinnerungen, aber ich war mir nicht sicher, ob ich gewonnen hatte. Manchmal ist es komisch - wenn ich zurückdenke, weiss ich gar nicht, ob ich es aus meiner Perspektive sehe oder aus jener des Videos. Es passiert einfach unglaublich viel in sehr kurzer Zeit."

Sie haben im Final ihren Schweizer Rekord pulverisiert und mit 12,22 Sekunden eine Zeit erzielt, mit der Sie in der ewigen Bestenliste den 7. Rang einnehmen. Hand aufs Herz, hatten Sie eine solche Zeit für möglich gehalten?

"Ich muss sagen: Ja. Ich hielt es für möglich, zu gewinnen und wusste, dass dafür eine tiefe 20er-Zeit nötig ist. Der Unterschied von dieser Saison zur vergangenen war, dass es mir gelang, eine gute Konstanz hinzubekommen. Ich erreichte regelmässig 40er-, 50er-Zeiten und immer passte etwas nicht ganz. Beim letzten Wettkampf vor der WM, bei Weltklasse Zürich, lief ich 12,40, obwohl ich an der letzten Hürde anschlug. Wenn du konstant bist, dann wird die Zeit bei einem Ausreisser nach oben gleich um einiges besser."

Dann war Ihr Urvertrauen immens?

"Ja. In dieser Saison hat sich für mich herauskristallisiert, dass ich das Potenzial dafür habe. Und dann vertraue ich mir genug, dass ich dieses abrufe. Zudem half es mir, dass die Konkurrenz extrem gross war. Ich wusste, es hat nicht eine oder zwei Personen, die dominieren. Vielmehr war es so, dass viele sehr schnell sind, und ich auch dazu gehöre."

Wurde Ihnen diese mentale Stärke sozusagen in die Wiege gelegt, Ihre Schwester Mujinga liefert ja auch meistens ab, wenn es zählt?

"Bei mir war es schon immer so, dass mich in einem wichtigen Wettkampf die Nervosität nie gelähmt, sondern vielmehr gepusht hat. Schon als ich jung war, konnte ich die Anspannung in etwas Produktives kanalisieren. Aber es brauchte schon auch Arbeit. Der grösste Teil ist für mich jedoch die Erfahrung. Ich habe herausgefunden, was für mich funktioniert: Ich muss mega ruhig, fokussiert, konzentriert sein. Das ist für mich der perfekte mentale Zustand, der mir erlaubt, Höchstleistungen zu bringen. Zwar habe ich schon auch mit einer Sportpsychologin zusammengearbeitet, aber das ist nicht regelmässig der Fall."

Die Erfahrungen von Mujinga dürften auch geholfen haben, oder?

"Ich konnte vor allem profitieren vom Umfeld, das sie aufgebaut hat. Mein Glück ist, dass ihre beste Lösung gleichzeitig auch meine beste Lösung sein kann. Klar mit Ergänzungen, wie beispielsweise Claudine (Müller, ihre Hürdentrainerin). Aber ich musste keine Grundstruktur aufbauen."

Nach dem WM-Titel blieben Sie noch in Japan. Wie wichtig war es, fernab der Heimat das Ganze zu verarbeiten?

"Es war gut, dass ich nach der turbulenten WM nicht gleich nach Hause ging, denn dort wäre es nochmals turbulent gewesen. So konnte ich Distanz gewinnen. Allerdings ist es streng, nach einem Grossanlass herumzureisen, das merkte ich schon. Ich war dann schon froh, als ich wieder daheim war und die Familie sah. Später war ich auch noch in Schottland, dort war es ebenfalls sehr schön."

Wie können Sie sich allgemein am besten erholen?

"Indem ich Zeit mit der Familie verbringe, mit Freunden. Zudem interessieren mich viele Sachen neben dem Sport."

Nämlich?

"Es wechselt immer etwas. Momentan bin ich viel am Nähen, damit fing ich Anfang Jahr an. Ich koche sehr gerne, arbeite auch gerne im Garten. Und dann bin ich ein Bücherwurm."

Dass das Training funktioniert, zeigen die Resultate. Sehen Sie trotzdem noch Optimierungsmöglichkeiten?

"Absolut, ich bin erst 23 Jahre alt. Das Wichtigste für nächste Saison ist, eine Konstanz auf noch höherem Niveau hinzubekommen. In den letzten Jahren habe ich mir eine gute Basis erarbeitet, nun können wir noch viel mehr ins Detail gehen - am Start arbeiten, an den letzten vier Hürden. Dort kann immer etwas herausgeholt werden. Für dieses Jahr war der WM-Final das perfekte Rennen, aber nicht für mein Leben."

Wie realistisch ist es für Sie, eines Tages den Weltrekord zu brechen. Dieser ist noch zwölf Hundertstel entfernt?

"Sehr realistisch, aber es muss immer zuerst gemacht werden. Ich möchte mich nicht zu stark unter Druck setzen. Doch wenn ich ausgeschlossen hätte, dass ich Weltmeisterin werden kann, dann wäre ich vielleicht nicht Weltmeisterin geworden. Ich habe mir nie eine Limite gesetzt. Das wäre eine Botschaft von mir, die ich an Kinder weitergeben würde."

Zum Schluss: Bald ist Weihnachten. Was wünschen Sie sich?

"Nichts Spezielles. Ich freue mich einfach auf Weihnachten wie jedes Jahr. Ich bin gespannt, wer mich beim Wichteln gezogen hat (lacht)."

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