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Christian Streich - the Special Normal One

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Nach mehr als zwölf Jahren als Cheftrainer des SC Freiburg, hat Christian Streich seinen Abschied im kommenden Sommer angekündigt. Sky Reporter Alexander Bonengel hat Streich von Anfang an begleitet und berichtet von seinen Erfahrungen mit der Trainer-Ikone.

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Christian Streich hört nach mehr als zwölf Jahren als Cheftrainer des SC Freiburg zum Saisonende auf. © Imago

Nach mehr als zwölf Jahren als Cheftrainer des SC Freiburg, hat Christian Streich seinen Abschied im kommenden Sommer angekündigt. Sky Reporter Alexander Bonengel hat Streich von Anfang an begleitet und berichtet von seinen Erfahrungen mit der Trainer-Ikone.

Seit nunmehr über zwölf Jahren begleite ich für Sky die Bundesliga und 2. Bundesliga mit Fokus auf die Region Südwesten. Senderstart Sky Sport News HD: 01.11.2011, Start Christian Streich als Bundesliga-Cheftrainer: 01.01.2012. Meinen Job ohne Streich kenne ich praktisch nicht.

Ich erinnere mich gut an die Anfänge: Mein geschätzter damaliger Kollege Marc Behrenbeck war damals im Dienst und musste runter nach Freiburg fahren. Für uns im Rhein-Mein Gebiet ein Ritt von mindestens drei Stunden. Ganz ehrlich: Drum gerissen haben wir uns nie, runter in den Schwarzwald zu fahren.

Ich habe das Ganze am TV verfolgt und war neugierig auf den Nachfolger des entlassenen Marcus Sorg. Und da kam er rein in den nur etwas mehr als wohnzimmergrossen Pressekonferenzraum im Dreisamstadion, der für den grossen Medienandrang viel zu klein war. Fünf oder sechs Tische, wie immer in Hufeisenform angeordnet, die für vielleicht zehn bis zwölf Medienschaffende Platz bieten konnten.

Wie einer der coolen Lehrer

Und dann kam er, der neue Chef, einen grauen Schal um den Hals gewickelt, wie einer der coolen Lehrer von damals, die zwar eine gewisse Strenge ausstrahlten, die sich aber bei Gesprächsbedarf jederzeit bei einer Tasse Tee Zeit für dich genommen hätten. Streich ist übrigens tatsächlich studierter Pädagoge in Germanistik, Geschichte und Sport.

Nicht wenige Beobachter hatten damals Zweifel, ob dieser so normal und gewöhnlich wirkende Endvierziger lange im Haifischbecken Bundesliga würde bestehen können. Oberflächlichkeiten wie der alemannische Dialekt, an den man sich allerdings spätestens seit Jogi Löw gewöhnt haben sollte, sein unprätentiöses Auftreten, mögen dazu beigetragen haben. Und wenn einer mit Ende 40 noch nicht Profi-Trainer gewesen ist, wird das ja wohl auch Gründe gehabt haben.

Alles falsch! Seine Eigenschaften sollten ihn im Gegenteil zu einer der prägendsten deutschen Fussballtrainer der letzten Jahrzehnte machen. Seine Qualitäten als Fussballtrainer sind hinreichend belegt und werden in diesen Tagen anderswo ausführlich zurecht gewürdigt. Deswegen an dieser Stelle lieber noch ein paar Erinnerungen aus meinen zwölf Jahren Streich:

Der grimmige Streich

Bei den Pressekonferenzen im alten Dreisamstadion sollte es auch weiterhin bei der hufeisenförmigen Sitzordnung bleiben. Nach dem offiziellen Teil wurde es gemütlich. Meist ist Streich noch lange sitzengeblieben um gemütlich mit der lokalen Reporterschaft zu plaudern. Es durfte geraucht werden.

2013 feierte Freiburg neben dem Dreisamstadion eine grosse Party nach dem letzten Saisonspiel. Natürlich waren wir mit Sky Sport News vor Ort und Streich war für ein kurzes Interview angefragt. Irgendwann kam er dann, offensichtlich grimmig und widerwillig, begleitet vom damaligen SCF- Pressesprecher Rudi Raschke. In Erwartung feierlicher Antworten erlebte ich einen Christian Streich, der mir kaum in die Augen sehen wollte und nur kryptische Antworten im Sinne von „Ja", „Nein", „keine Ahnung", „müssen sie xy fragen" lieferte und dann von dannen zog.

Natürlich war ich stinksauer, sechs Stunden Autofahrt quasi umsonst, dazu eine gefühlte Demütigung durch den Trainer. Was war das? Arroganz? Hatte er vielleicht ein Problem mit Sky? Erst viel später war ich mir sicher, dass er einfach nach dieser Saison und diesem letzten Spiel total ausgebrannt war, gar nicht mehr in der Lage, noch ein weiteres Interview zu führen.

Ausserordentliche Emotionalität

Je öfter ich ihn während und nach Spielen erlebt habe, desto klarer wurde mir, dass dieser Mann eine ausserordentliche Emotionalität und Energie in seinen Job investierte. Auf Interviews, so glaube ich, hatte er nie wirklich Bock. Aber mit den Jahren hat er es immer mehr gelernt, das als gewohnte Pflicht zu akzeptieren. So wie man die Spülmaschine ausräumen und sich die Zähne putzen muss. Das dann aber im Moment in der Regel mit der grösstmöglichen Konsequenz.

Einige Jahre später war ich wieder an einem Sonntagmorgen nach Freiburg gereist. Ich weiss beim besten Willen nicht mehr, wann. Ich hatte die Zusage für ein Streich-Interview. Nach dem Auslaufen sah ich Rudi Raschke und Christian Streich diskutieren. Danach versuchte mir Rudi beizubringen, dass Streich nicht zur Verfügung stünde. Einer seiner Co-Trainer solle das machen, die seien schliesslich „genauso wichtig" wie er. Allerdings beharrte ich darauf, mit Streich zu sprechen und bat Rudi, nochmal anzufragen.

Schliesslich kam er dann doch. „Ist ja auch blöd, wenn sie so weit fahren und dann nix bekommen", sagte er sinngemäss. Während des Interviews kamen wir immer mehr ins Plaudern. Am Ende war über eine halbe Stunde rum, von der wir schliesslich vielleicht 5 Minuten gesendet haben. Streich sagte am Ende sogar, es habe ihm grossen Spass gemacht. Sicherlich auch, weil wir am Ende nicht nur über Fussball geredet haben.

Sprachrohr Streich

Jede weitere Begegnung war fortan enorm respektvoll und professionell, stets aber auch geprägt von professioneller Distanz.

Rückblickend bin ich mir sicher, dass Streich das Schaufenster der grossen Öffentlichkeit eher in Kauf genommen hatte, als es wirklich zu schätzen. Er wollte einfach nur seinem SC Freiburg helfen. Im Laufe der Jahre jedoch nutzte er die Plattform immer öfter wirksam, um aus der Fussball-Bubble heraus soziale Missstände zu kommentieren, stets geleitet von einem enormen Mass an Reflexion und dem Hinterfragen, dass ihm als Akademiker inne wohnt.

Streich als Bundestrainer?

Wie sehr Streich fehlen wird, werden wir nach dem Sommer zu spüren bekommen. Dann reden wir zwar weiterhin über Abwehrketten und Matchpläne. Aber da ist kein Christian Streich mehr, der die üblichen Oberflächlichkeiten durchbricht. Wobei ich mir nicht so sicher bin, dass das so bleiben muss. Ende 50 ist noch kein Rentenalter und Streich braucht sicherlich vor allem einfach mal eine Pause.

Erleben wir irgendwann das Comeback von Christian Streich in der Bundesliga? Erleben wir ihn vielleicht sogar als Nationaltrainer? Oder macht vielleicht etwas ganz anderes?

Wir werden sehen. Einen Christian Streich - für mich der "special normal One" - als Rentner, den kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.

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